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Markt der vielen Möglichkeiten

Milliardeninvestitionen: China modernisiert das Gesundheitswesen
Markt der vielen Möglichkeiten

Mit Wachstumsraten von über 20 % ist China für Hersteller von Medizintechnik ein vielversprechender Absatzmarkt. Die Zentralregierung will auch in den kommenden Jahren Milliardenbeträge in den Ausbau des Gesundheitswesens investieren.

Traditionelle chinesische Medizin ist ein Exportschlager. Immer mehr Menschen in der westlichen Welt vertrauen der heilenden Kraft der Nadeln, ohne die moderne Medizin zu verachten. Akupunktur und Hightech sind auch im Reich der Mitte keine Gegensätze: Der aktuelle Fünfjahresplan nennt die Förderung der traditionellen Medizin neben der Reform der Krankenhäuser als ein Hauptziel im Gesundheitsbereich. Denn was die Gesundheit angeht, macht China Nägel mit Köpfen. Seit Jahren schon investiert die Zentralregierung Milliardenbeträge, um das System voranzubringen. Der Nachholbedarf ist groß. Im Hinterland ist die Bevölkerung noch immer unzureichend medizinisch versorgt, und in vielen Kliniken bestimmen Produkte aus den 1970er- und 1980er-Jahren das Bild. Das soll sich gründlich wandeln.

Mehr Kliniken, mehr Personal, mehr Hightech. Die chinesische Zentralregierung will bis 2020 weitere 400 Mrd. Renminbi (RMB) in den Ausbau des Gesundheitswesens investieren, knapp 50 Mrd. Euro. Da der überwiegende Teil hochwertiger Medizintechnik importiert wird, bieten sich ausländischen Herstellern sehr gute Absatzchancen. Die jährlichen Wachstumsraten liegen bei über 20 %. „Fast alle Unternehmen sind in China tätig, die Firmen sind begeistert von dem Markt“, sagt Jennifer Golden- stede, Leiterin Außenwirtschaft und Exportförderung bei Spectaris, dem deutschen Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien.
Für viele Hersteller von Medizintechnik ist China das neue Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Medtron AG aus Saarbrücken konnte den Umsatz dort 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 93 % steigern und hat sich binnen drei Jahren einen Marktanteil von zirka 10 % erarbeitet. Medtron stellt Kontrastmittelinjektoren für die Computer- und die Magnetresonanztomographie sowie die Angiographie her. Das mittelständische Unternehmen besitzt seit 2011 die Zulassung der State Food and Drug Administration für Produkte wie die kabellosen Doppelkolben-Injektoren der Accutron-Reihe und die dazugehörenden Verbrauchsmaterialien.
Zuverlässige Produkte, ein verlässlicher Partner vor Ort mit ausgezeichneten Marktkenntnissen, dazu ein dichtes Vertriebs- und Servicenetz: das sind für Giuseppe Romano, Head of Marketing & Sales bei Medtron, Grundvoraussetzungen für den Erfolg. Es sei wichtig, einen Partner zu haben, der als offizieller rechtlicher Repräsentant auftritt wie auch als Servicepartner. Man brauche jemanden, der den chinesischen Medizintechnikmarkt und die regulativen Rahmenbedingungen genau kenne. „Ganz wichtig in China, wichtiger als Verträge, ist das gegenseitige Vertrauen“, fügt Romano hinzu.
Wichtige Kontaktbörsen sind die zahlreichen Fachmessen. Medtron besucht regelmäßig die China Med, die im März wieder in Peking stattfand. Hoch im Kurs steht bei Herstellern auch die China Medical Equipment Fair (CMEF), die zweimal jährlich abgehalten wird: im Frühjahr in der südchinesischen Wirtschaftsmetropole Shenzhen, im Herbst an wechselnden Orten im Landesinneren.
China meint es ernst mit der Gesundheitsversorgung für alle. Wesentlicher Punkt einer 2009 verabschiedeten Reform mit einem Investitionsvolumen von 850 Mrd. RMB (rund 100 Mrd. Euro) war die Schaffung einer Basis-Krankenversicherung für die Stadt- und die Landbevölkerung. 2011 waren bereits rund 95 % der Bevölkerung krankenversichert. Daneben wurde der Bau von 29 000 Basiskliniken und 5000 Zentralkliniken in Dörfern und Städten beschlossen. Die Nachfrage werde weiter ansteigen, sagt Jennifer Goldenstede: Das gelte vor allem fürs Hinterland, wo die medizinische Infrastruktur erst noch bereitgestellt werden müsse.
Deutschland ist nach den USA und vor Japan der wichtigste Lieferant von Medizintechnik für den stark wachsenden Markt. 2013 lieferte Deutschland nach Angaben von Germany Trade and Invest (gtai), der Bundesgesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing, Medizintechnik – ohne Orthopädietechnik – im Wert von 2 Mrd. US-Dollar (rund 1,4 Mrd. Euro) nach China, gut 12 % mehr als im Vorjahr. China dürfte sich laut gtai inzwischen hinter den USA und Deutschland zum drittgrößten Importeur von Medizintechnik entwickelt haben, 2011 rangierte das Land noch auf Rang fünf. Allein von 2008 bis 2012 hat sich der Wert der eingeführten Branchenprodukte mehr als verdoppelt.
Der chinesische Markt ist vielschichtig. Wer auch im Hinterland verkaufen will, muss neben Highend-Produkten preiswertere Alternativen anbieten. Es gebe verschiedene Anforderungsniveaus, sagt Giuseppe Romano: Medtron bediene zurzeit vor allem den Spitzenbereich. Um auch das mittlere und untere Marktsegment bedienen zu können, müsse man zuverlässige Frugal Products anbieten: „Die Technologie, die wir haben, ist trotzdem High Technology auf demselben Qualitätsniveau, aber wir reduzieren diese Geräte auf das, was für den Kunden notwendig ist.“ Hersteller sollten ihre Produkte landesspezifisch anpassen und mit bedarfsgerechtem Design ausstatten, empfiehlt auch Spectaris. Es gehe darum, sich dem Markt zu nähern, vor allem auch im engen Austausch mit den Anwendern, sagt Jennifer Goldenstede.
Was die eigene Produktion anbelangt, kann China noch nicht mit den Marktführern mithalten. Aber das Land will zur Weltspitze aufrücken – nicht mit Plagiaten, die ein Thema bleiben, sondern durch den Aufbau von eigenem Know-how. Der 12. Fünfjahresplan von 2011 bis 2015 enthält einen Sonderplan zur Entwicklung der Medizintechnik mit genauen Zielvorgaben. So will die Volksrepublik 200 Schlüsselpatente anmelden oder acht bis zehn große staatliche Medizintechnikunternehmen aufbauen. Die Branchenproduktion soll einen Umfang von 200 Mrd. RMB (rund 24 Mrd. Euro) erreichen.
Ausländisches Know-how und Kapital sind willkommen. Die deutsch-österreichische Unternehmensgruppe Lohmann und Rauscher (L&R) hat zu Beginn des Jahres ein Produktions-Joint-Venture am Standort Xishui in der Provinz Hubei komplett übernommen und als Lohmann & Rauscher Hubei Medical Products Co., Ltd. (L&R Hubei) neu gegründet. Das 2005 mit dem Partner Winner Group Limited gegründete Unternehmen produziert OP-Abdeckungen und -Bekleidung und beschäftigt rund 800 Mitarbeiter.
„Dieser Schritt bedeutet eine klare Aufwertung und ein klares Bekenntnis zu unseren Aktivitäten in China“, erklärt Wolfgang Süßle, der Geschäftsführer der L&R-Gruppe mit Sitz in Rengsdorf und Wien. Parallel hat das auf Medizin- und Hygieneprodukte spezialisierte Unternehmen die Vertriebstochter L&R China Medical Products Co., Ltd. (L&R China) mit Sitz in Shanghai und Peking gegründet. Ziel sei es, die L&R-Gruppe über L&R China verstärkt als zuverlässigen Partner und Problemlöser zu positionieren.
Der Wirtschaftshimmel über China bleibt sonnig. Experten rechnen aufgrund von Langzeittrends wie der Überalterung der Bevölkerung, steigender Einkommen oder der Verlagerung der Nachfrage in die Zentral- und Westprovinzen mit anhaltend hohen Zuwachsraten. Der einen oder anderen dunklen Konjunkturwolke sieht man daher auch bei der Medtron AG gelassen entgegen. „Selbst wenn sich das Wachstum dort halbieren würde, wäre es immer noch immens schnell“, sagt Giuseppe Romano und lacht.
Bettina Gonser Freie Journalistin in Stuttgart
Weitere Informationen Zu den Fachmessen China Med und CMEF: www.chinamed.net.cn/en, www.cmef.com.cn/en Über den Hersteller von Kontrastmittelinjektoren: www.medtron.de Über den Hersteller von OP-Abdeckungen und -Bekleidungen: www.lohmann-rauscher.com
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