Startseite » Allgemein »

Laser unterstützt Fräser

Fertigung: Völlig neue Perspektiven für das Fräsen hochfester Werkstoffe
Laser unterstützt Fräser

Die formgebende Bearbeitung hochfester metallischer Legierungen und Keramiken durch spanende Verfahren ist auf Grund geringer Zeitspanvolumina und kurzer Werkzeugstandzeiten sehr ressourcenintensiv. Hier bietet die laserunterstützte Fräsbearbeitung ein großes Potenzial zur Leistungssteigerung.

Die herausragenden Festigkeitseigenschaften hochleistungsfähiger Werkstoffe wie Titan- und Nickelbasislegierungen, aber auch technische Keramiken wie Siliziumnitrid (Si3N4), bereiten bei der mechanischen Bearbeitung erhebliche Probleme. Durch geringe Zeitspanvolumina und kurze Werkzeugstandzeiten steigen Fertigungszeiten und -kosten erheblich. Neue Perspektiven bringt hier die intensive Laserbestrahlung der Werkstückoberfläche unmittelbar vor dem Werkzeugeingriff. Der rasche Temperaturanstieg in der oberflächennahen Randzone reduziert den Verformungswiderstand des Werkstoffs und ermöglicht gesteigerte Spanungsraten bei gleichzeitig reduziertem Werkzeugverschleiß.

Dieses Prinzip der sogenannten „Warmzerspanung“ wurde bisher ausschließlich beim laserunterstützten Drehen von keramischen Lagerringen umgesetzt. Beim Fräsen fehlten systemseitig Konzepte zur kompakten und robusten Integration von Strahlführungssystemen. Das Fraunhofer IPT in Aachen hat im Rahmen des von der VW-Stiftung geförderten Projekts »CeraSurf« ein Bearbeitungssystem entwickelt, das erstmalig die laserunterstützte Fräsbearbeitung auf komplexe Konturen überträgt.
Auf der Grundlage des neuen Verfahrensansatzes haben die Wissenschaftler am IPT erste experimentelle Versuche an Siliziumnitrid-Keramik durchgeführt. Gegenüber dem Prozess ohne Laserunterstützung konnten sie eine deutliche Senkung der resultierenden Prozesskräfte um bis zu 80% und eine gleichzeitige Steigerung der Zerspanrate um ein Vielfaches nachweisen. Darauf aufbauend haben sie ein erstes Konzept zur konstruktiven Umsetzung eines Spindel-Werkzeugsystems mit integrierter Strahlführung entwickelt. Als Laserquelle ist ein Hochleistungsfaserlaser über eine Lichtleitfaser mit entsprechender Schnittstelle an eine Optik angeschlossen, die den divergent austretenden Laserstrahl parallel richtet. Zur Projektion des Laserbrennflecks direkt vor die rotierende Fräserschneide wird ein einstellbarer Laserstrahl koaxial durch die Spindelwelle geführt. Der Strahl wird im Fräswerkzeug fokussiert und umgelenkt und direkt auf die Fläche des abzutragenden Spanvolumens projiziert, wo das zu zerspanende Material lokal erwärmt und plastifiziert wird.
Nach der konstruktiven Umsetzung und Fertigung wurden alle optischen und mechanischen Teilsysteme in eine Satisloh Fünf-Achsen-Bearbeitungsmaschine mit 3+2- Kinematik des Typs G1 integriert. Über eine Schnittstelle am Spindelgehäuse, an die die Kollimation angebunden ist, werden der Strahl eingekoppelt und das Prozessgas zugeführt. Aus Laserschutzgründen ist der Arbeitsraum vollständig umhaust. Die beiden Schiebetüren sind über zusätzliche Blechverhausungen undurchlässig für Laserstrahlung im relevanten Wellenlängenbereich und werden über separate Schalter abgefragt, die im Sicherheitskreis der Maschinen-SPS eingebunden sind. Ein direkter Einblick in den Arbeitsraum der Maschine ist damit nur im Einrichtbetrieb möglich, bei dem die Laserquelle ausgeschaltet ist. Der Prozess wird von zwei Kameras überwacht, die im Arbeitsraum der Maschine montiert sind.
Parallel zu den konstruktiven Arbeiten wurden die Grundlagen für ein Prozesssteuerungssystem erarbeitet, über das der überlagerte Laserprozess in Abhängigkeit von den Spanungsbedingungen gesteuert wird. Für die Lasersteuerung in Echtzeit werden die Ist-Daten aus den Positionsmess-Systemen der einzelnen Maschinenachsen und des Spindeldrehgebers unter Berücksichtigung der Werkstückkontur über die Bestimmung der resultierenden Eingriffskinematik zu einem Sollwert verrechnet. Maschinensystem, Spindel und Laserquelle sind damit steuerungstechnisch vollständig miteinander verknüpft. Alle Systemkomponenten werden hierbei über die zentrale HMI der Maschinensteuerung bedient. Lediglich die Sollwertberechnung zur Synchronisation und Modulation der Laserquelle ist auf Grund der hohen Echtzeitanforderungen auf einen externen Rechner ausgelagert worden.
Der gezeigte Aufbau ermöglicht erstmalig die mehrachsige laserunterstützte Fräsbearbeitung bei einer Bearbeitungsflexibilität und Prozessführung, die mit der konventionellen mehrachsigen Fräsbearbeitung vergleichbar ist.
Ohne detaillierte Parameterstudien und ohne eine weitere Optimierung der Prozessstellgrößen konnten die Prozesskräfte in ihren jeweiligen Komponenten bei ersten Stichversuchen an Siliziumnitrid-Keramik zwischen 73% und 90% reduziert werden. Der werkstoffseitig hohe Verformungswiderstand sowie die dynamische Wechselbelastung im unterbrochenen Schnitt führen ohne Laserunterstützung direkt zum Versagen der Schneidkante durch Bruch. Ohne Laserunterstützung ist der Werkstoff Siliziumnitrid mit definierter Schneide damit nicht zerspanbar. Mit Laserunterstützung konnten die auftretenden Kantenausbrüche deutlich reduziert werden. Zusätzlich weisen die entstehenden Werkstückoberflächen auf Grund des durch Laserbestrahlung verringerten Sprödbruchverhaltens keine Ausbrüche und Mikrorisse auf.
Chris-Jörg Rosen Fraunhofer IPT, Aachen
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 1
Ausgabe
1.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de