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Kraft hängt in den Seilen

Kleinmotoren: Aus Antrieb, Seil und Welle entsteht eine Prothese
Kraft hängt in den Seilen

Ein neues Design für Roboterarme soll sich auf aktive Prothesen und Exoskelette übertragen lassen. Kernstück sind technische Muskeln, die mit einer Seilkonstruktion und Motoren den künstlichen Ellbogen strecken und beugen.

Lang, weich und aufgrund seiner rund 40 000 Muskeln äußerst beweglich ist der Rüssel, mit dem ein Elefant Bäume umdrückt, schwere Lasten trägt, aber auch sehr feinfühlige Bewegungen macht. Den Rüssel nahmen sich Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart zum Vorbild. „Der weiche und bewegliche Elefanten-Rüssel lieferte uns die Idee für den bionischen Roboterarm Isella“, sagt Harald Staab, der die Technologie am IPA erfunden und entwickelt hat. Einsatzmöglichkeiten für den Arm sieht er in der Rehabilitation, etwa um verletzte Gelenke wieder zu trainieren, und in Prothesen, die beweglich und preisgünstig sind. In etwa zwei Jahren könnten sie auf dem Markt sein, hofft Staab.

Seine Bezeichnung Isella verdankt der Roboterarm der Beschreibung seiner Eigenschaften: er sei ein „intrinsically safe lightweight lowcost arm“, sagen die Stuttgarter. Die Sicherheit war ihnen besonders wichtig: Bisher bergen Roboterarme eine Verletzungsgefahr – etwa wenn sie sich bei Störungen unkontrolliert bewegen.
Isella ist in dieser Hinsicht anders als herkömmliche Roboterarme, die nur einen Antrieb pro Gelenk haben. Im neuen Roboterarm hat hingegen jeder Antrieb einen Gegenspieler, so dass bei Störung des einen Antriebs der andere eine unkontrollierte Bewegung verhindert.
„Im Gegensatz zu pneumatischen und hydraulischen Antrieben funktioniert unser Roboterarm mit einem Muskelantrieb aus einem kleinen Elektromotor mit Antriebswelle und einer Spezialschnur“, erläutert Staab. Die Schnur im Muskelsystem ist wie eine Sehne zwischen zwei zueinander beweglichen Teilen befestigt. Die Antriebswelle wird an der Schnurmitte festgemacht. Wenn sie sich dreht, wickelt sich die Schnur in Form einer doppelten Helix von beiden Seiten auf. Die Forscher sprechen daher von der Dohelix. „Die Welle ist etwa so dünn wie die Schnur. Dadurch gibt es eine große Übersetzung wie bei einem Getriebe“, sagt der Experte Staab. Erreicht haben die Forscher dies durch extrem reißfeste und flexible Materialien, die auch beim Segelsport und Drachenfliegen verwendet werden. So sei die Dohelix-Lösung günstiger und energieeffizienter als ein Getriebe. Die Zugkraft beträgt ein Zigfaches des Eigengewichts, und das Antriebsprinzip eignet sich vom Mikrometermuskel bis zum Lastenheben im Containerhafen.
Der Wirkungsgrad elektrischer Kleinmotoren liegt bei hochwertigen Modellen über 80 %, und sie können kurzzeitig und wiederkehrend mit einem Vielfachen ihres Nennmoments überlastet werden. Insofern ähnelt Dohelix menschlichen Skelettmuskeln: auch sie können kurzzeitig große Kräfte aufbringen, brauchen aber danach Ruhephasen. Die Kleinmotoren seien robust, wartungsfrei, sehr einfach steuerbar und damit sehr gut für mobile Anwendungen geeignet, heißt es aus Stuttgart. Ein Prothesenträger benötige lediglich ein kleines Steuergerät und eine Batterie am Gürtelclip.
Der Roboterarm Isella besteht aus insgesamt zehn Dohelix-Muskeln: Jeweils einem Beuger und einem Strecker für jedes Gelenk – vier für den Ellbogen und sechs für den Oberarm. Die Beweglichkeit entspricht der des menschlichen Arms. „Derzeit realisieren wir den Ellbogen“, sagt der Experte.
Der Prototyp kann sich strecken (0°) und beugen (135°) und den Unterarm über Elle und Speiche verdrehen (± 75°).
Einer kostengünstigen Produktion der Prothese stehe nichts im Weg: Die Funktions- und Strukturbauteile seien für hohe Stückzahlen optimiert und entweder Normteile oder mit wenigen Bearbeitungsschritten herstellbar. op

Ihr Stichwort
• Aktive Prothese
• Elektrischer Muskel
• Sicherheit • Serienfertigung • Mikrobewegungen
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