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Kontrolliert auf Dauer, ganz ohne müde zu werden

Optische Qualitätskontrolle: Prüfmuster direkt aus den Konstruktionsunterlagen erstellen
Kontrolliert auf Dauer, ganz ohne müde zu werden

Bei der visuellen Inspektion von Oberflächen kommen zunehmend computergestützte Verfahren zum Einsatz. Das direkte Erzeugen der Vergleichsmuster aus den CAD-Daten des Objekts bietet Vorteile gegenüber den fotografischen Verfahren.

„Bei der Qualitätskontrolle spielen optische Verfahren eine entscheidende Rolle“, sagt Lorenz Blass, Softwareentwickler bei der Compar AG in Pfäffikon, Schweiz. Das Unternehmen ist Spezialist für IT-gestützte Systeme zur Bildanalyse und hierauf basierende robotergestützte Systeme für Qualitätskontrolle, Identifikation und Robot Guidance. Vorteil solch automatischer Systeme im Vergleich zum Einsatz menschlicher Arbeitskraft ist ihre Ermüdungsfreiheit. Ihre Ergebnisse sind konstant und reproduzierbar. Dennoch werden viele Inspektionsaufgaben in der Qualitätssicherung auch heute noch von Menschen erledigt. Die Gründe sind vielfältig und reichen von der Notwendigkeit, Teile bei der Inspektion unter ganz bestimmten Winkeln im Raum zu betrachten, bis zu Fällen, wo der Aufwand für die fotografische Erzeugung der benötigten Vergleichsbilder zu hohe Kosten verursachen würde. Letzteres kommt vor allem bei Produkten vor, die in eher kleineren Stückzahlen gefertigt werden.

„Vor einiger Zeit erhielten wir die Anfrage eines Kunden, der so genannte Schanzschrauben für die Behandlung von Knochenfrakturen herstellt“, erinnert sich Softwareentwickler Blass. Hierbei handelt es sich um lange Schrauben aus biokompatiblem Material wie beispielsweise Titan mit einem anspruchsvoll gestalteten Gewinde am vorderen Ende. Bei komplizierten Trümmerfrakturen werden solche Schrauben mit ihrem Gewinde in den Knochen beziehungsweise in den Knochenfragmenten verankert. Anschließend werden die Enden der Schrauben in einem oft komplexen dreidimensionalen Gestell („Fixateur externe“) befestigt und halten die Knochen so während des Heilungsprozesses in der erforderlichen Position. Nachjustierungen sind auch nach der Operation durch Veränderung der Position der Schrauben möglich.
Diese Schrauben und insbesondere ihre Gewindebereiche müssen sehr hohen Qualitätsansprüchen genügen, da sie auch bei wechselnden Belastungen sicheren Halt im Knochen gewährleisten müssen. Daher muss die Geometrie sowohl des Schafts als auch des Gewindes sehr genau mit den Vorgaben übereinstimmen. Die entsprechenden Kontrollen wurden bisher manuell vorgenommen, wobei der Mitarbeiter die Schraube in einem definierten Winkel vor einen Projektor hielt und ihre Form mit Hilfe einer Schablone beurteilte. Diese Methode war jedoch zeitaufwendig und fehleranfällig. Dem Hersteller schwebte daher ein automatisiertes Inspektionsverfahren vor, das sich zudem flexibel den immer neuen Geometrievarianten anpassen lässt.
„Im Prinzip handelt es sich hierbei um eine doppelte Aufgabenstellung, die sowohl ein Verfahren zum Mustervergleich als auch eine dazu passende Handlinglösung umfasste“, ergänzt Blass. Die Inspektionseinheit besteht aus einer Beleuchtungseinheit sowie einer Kamera mit parallelem („telezentrischem“) Strahlengang, was eine verzerrungsfreie Projektion des Objekts auf den Bildsensor sicherstellt. Das Sensorbild wird per Software in einen scharfkantigen Schattenriss umgewandelt, dessen Konturen exakt vermessen und mit entsprechenden Sollvorgaben verglichen werden können. Dafür muss das Gewinde allerdings exakt in seinem Steigungswinkel in den Strahlengang gehalten werden, weshalb hierfür ein Roboter zum Einsatz kommt. Als Vorlage für den Mustervergleich dienten bisher meist Aufnahmen der Schattenrisse von Gutteilen. Dies erforderte einen nicht unerheblichen Aufwand beim Erzeugen der entsprechenden Bilddaten. Um Verwechslungen zu vermeiden und eine korrekte Zuordnung von Vorlage und Prüfteil sicherzustellen, war ein nicht unerheblicher logistischer und personeller Aufwand erforderlich.
„Wir haben dem Kunden deshalb vorgeschlagen, die für eine Qualitätsprüfung erforderlichen Projektionen direkt aus seinen 3D-CAD-Daten zu erzeugen“, sagt Blass. Die Übermittlung an das Prüfsystem erfolgt im DXF-Format. Aus diesen Daten generiert die Software alle Schattenrisse und Konturbilder und sorgt für die Skalierung. Zu den Vorteilen dieses Vorgehens zählt, dass die Vorlagen exakt in der Mitte der gewünschten Streubänder liegen und es zudem möglich ist, auch die Grenzen der jeweiligen Streubänder in Form von Min-/Max-Hüllkurven zu übermitteln.
Für die Untersuchung wird der Prüfling vom Roboter am Schaft gegriffen und im erforderlichen Winkel in den Strahlengang der telezentrischen Optik gehalten. Die Software des Prüfsystems sorgt dafür, dass das Abbild mit den Solldaten der Geometrie zur Deckung gebracht und die Differenzen dann ausgewertet werden. Dies ermöglicht eine schnelle Einteilung in Gut-/Schlechtteile.
Weiterer Vorteil von Prüfdaten, die direkt aus den CAD-Daten generiert werden, ist, dass man erforderlichenfalls den Umfang des Bauteils in beliebig definierbaren Winkelintervallen abtasten kann, um kleinere lokale Fehler wie Ausbrüche oder Deformationen des Gewindes aufzuspüren. Ergänzt wird die Anlage durch eine separate Auflichtkamera, mit deren Hilfe sich Oberflächenfehler wie Kratzer oder Beschichtungsfehler erkennen lassen. Diese Kamera lietst auch Lasermarkierungen auf dem Schaft und stellt so sicher, dass der für das Bauteil passende Prüfjob aufgerufen wird.
Das Prüfsystem wurde mittlerweile vom Kunden abgenommen. „Die direkte Generierung von Prüfmustern aus den Daten der vom Kunden verwendeten 3D-CAD-Software lässt sich natürlich auch in anderen Bereichen anwenden“, verrät der Softwareexperte. Ein weites Anwendungsgebiet sind beispielsweise Druckverfahren wie der Tampondruck, mit dessen Hilfe die Oberfläche vieler Produkte wie beispielsweise Insulinspritzen, Maschinen oder Schraubverschlüsse veredelt wird.
Klaus Vollrath Fachjournalist in Aarwangen/Schweiz
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