Startseite » Allgemein »

Kein Blei auf Implantaten

Kühlschmierstoff: Es gilt, alle Kontaminationsrisiken zu beachten
Kein Blei auf Implantaten

Blei aus schwermetallhaltigen Werkstoffen sammelt sich in Kühlschmierstoffen in unterschiedlichem Maß an. Dass es auch auf Implantaten nachzuweisen war, hat sich in einem Projekt in der Schweiz gezeigt. Die Projektpartner raten, die Lieferkette auf Kontaminationsrisiken zu prüfen.

Die Anforderungen an Kühlschmierstoffe sind hoch, insbesondere in der Medizinbranche: Die Formulierung muss so gewählt werden, dass diese ohne Probleme in technischen Reinigungsprozessen vollständig von den Materialien entfernt werden können – und die Kühlschmierstoffe müssen zukunftssicher formuliert sein, damit sie langfristig in gleichbleibender Qualität verfügbar sind. Sie sollen stabile und produktive Fertigungsprozesse ermöglichen, die Werkzeugstandzeiten verlängern und dadurch die Werkzeugkosten gering halten. Sie müssen aber vor allem auch eines sein: frei von Stoffen, die Risiken mit sich bringen.

Das Risiko einer Kontamination mit Blei, die irgendwo in der Lieferkette auftreten kann, wird beispielsweise von Implantatherstellern oft unterschätzt. In Zusammenarbeit mit der Robert-Mathys-Stiftung (RMS Foundation) aus Bettlach in der Schweiz hat die Blaser Swisslube AG, Hasle-Rüegsau/Schweiz, diesen Aspekt der Fertigung in einem KTI-Förderprojekt genauer betrachtet.
Hintergrund war, dass in der Medizintechnik Lieferanten und Unterlieferanten zu finden sind, die für die Erstausrüster Implantate herstellen – aber auch für andere Branchen tätig sind und somit bleihaltige Werkstoffe zerspanen. In einer Analyse der RMS Foundation wurden auf Implantaten, die von Zulieferern gefertigt wurden, Bleirückstände gefunden. Das Schwermetall birgt ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Patienten, da es sich selbst durch Reinigungsprozesse kaum von der Oberfläche der Implantate entfernen lässt. Daher müssen Kontaminationen in der Lieferkette vermieden werden – vor allem dann, wenn ein Zulieferer nicht nur Medizinstähle zerspant.
Das Problem entsteht, weil viele Kühlschmierstoffe beim Bearbeiten bleihaltiger Werkstoffe das Schwertmetall aus dem Material herauslösen. Das Blei reichert sich im Metallbearbeitungsfluid in gelöster Form an. Kommt dieses Fluid mit einer frisch geschnittenen Metalloberfläche in Kontakt, können sich Bleiionen auf der reaktiven Metalloberfläche abscheiden und bilden eine Art Passivschicht. Trotz definierter Prozesse auf getrennten Fertigungslinien können sich bei der Kühlschmierstoffrück- gewinnung, beim Schleudern von Spänen oder in Abtropfstrecken für Fertigteile die Bearbeitungsfluide aus beiden Fertigungen mischen.
In Zusammenarbeit mit Blaser Swisslube beantragte die RMS Foundation bei der Schweizer Kommission für Technologie und Innovation (KTI) Fördermittel für ein Projekt, das klären sollte, welchen Einfluss die Kühlschmierstoffe im Einzelnen auf die Bleiauswaschung haben.
Im Gemeinschaftsprojekt wurde unter anderem eine geeignete Testmethode definiert, die Bleimenge gemessen und die Bleikontamination ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass mit einem für die Medizintechnik entwickelten Schneidöl von Blaser fünf bis zehn Mal weniger Blei aus dem Werkstoff herausgelöst wurde als bei Verwendung eines vergleichbaren konventionellen Schneidöls.
Dieses legt den Gedanken nahe, dass die Lieferkette, vor allem die Unterlieferanten, von den Erstausrüstern unter die Lupe genommen werden müssen. „Die Implantathersteller sind angehalten, ihre Lieferanten und vor allem die Lohnfertiger in die Pflicht zu nehmen“, sagt Reto Luginbühl, Mitarbeiter der RMS Foundation und Initiator des KTI-Förderungsprojektes. Letztlich müsse eine Bleikontamination – zum Wohle der Patienten – explizit ausgeschlossen werden. „Für mich stellt sich die Frage, ob dies von den Implantatherstellern bereits entsprechend geprüft wird.“ Fakt sei, dass solche Adsorbatschichten nicht mit den typischen analytischen Methoden erfasst werden können. Dazu benötige man spezielle Oberflächenanalytik.
Grundsätzlich werden bei den meisten Metall verarbeitenden Betrieben die Kühlschmierstoffe von Zeit zu Zeit kritisch betrachtet, da die Prozesse immer wieder optimiert werden. Beispielsweise, um Herstellkosten zu senken oder produktiver zu arbeiten. Der Kühlschmierstoff hat dabei eine große Hebelwirkung, denn er beeinflusst sowohl die Produktivität und die Wirtschaftlichkeit als auch die Bearbeitungsqualität.
In der Medizintechnik-Branche jedoch sind Anpassungen nicht häufig anzutreffen. Denn die für die Medizintechnik eingesetzten Werkstoffe wie Kobaltchrom, rostfreie Stähle und Titan sind schwierig zu zerspanen und können daher überdurchschnittlich hohe Werkzeugkosten verursachen. Bei internen Zerspanungstests von Titan und rostfreien Stählen zeigten sich zum Beispiel im Technologie-Center von Blaser Swisslube, dass sich die Werkzeugstandzeit bei identischen Zerspanprozessen allein durch den Austausch des Kühlschmierstoffes bis zu einem Faktor von 4 unterscheiden kann.
Dennoch fällt ein Austausch des einmal gewählten Kühlschmierstoffes schwer, nicht zuletzt deshalb, weil Implantat- und Instrumentenhersteller für ihre Produkte entweder die CE-Kennzeichnung brauchen oder in den USA die FDA-Zulassung. Der Aufwand, unter diesen Voraussetzungen eine bewährte Prozessspezifikation zu ändern, ist enorm. Probleme im Herstellungsprozess, veränderte oder neue Anforderungen oder auch die Neuentwicklung von Produkten können jedoch den Anstoß dafür geben, dass ein anderer Kühlschmierstoff in Betracht gezogen wird. Dann führen fast alle Medizinproduktehersteller selbst Kühlschmierstofftests durch, um den Einfluss auf die Sauberkeit der Produkte und deren Biokompatibilität zu bewerten und die Auswirkungen eines Wechsels abzuschätzen. Dass neben Sauberkeit und Biokompatibilität auch andere Aspekte interessant sind, zeigt das Beispiel der möglichen Bleikontamination.
Doch auch wenn der Aufwand für die Tests bei einem Kühlschmierstoffwechsel groß ist, lassen sich laut Daniel Schär, Leiter Product Line Management bei Blaser Swisslube, die gesamten Werkzeugkosten in der Größenordnung von 25 bis 50 % senken – was „einiges an Aufwand rechtfertigen würde“.
Christoph Fankhauser Blaser Swisslube, Hasle-Rüegsau
Weitere Informationen Die RMS Foundation ist ein Dienstleistungslabor und Forschungsinstitut. Sie betreibt angewandte Forschung, Prüfung und Technologietransfer in der Medizin- und Werkstofftechnik. www.rms-foundation.ch/ Über den Kühlschmierstoffhersteller: www.blaser.com
Bei der Kühlschmierstoffrückgewinnung können Kontaminationen auftreten

Ihr Stichwort
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 1
Ausgabe
1.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de