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Jede Sekunde ein Stich

Chirurgieroboter: Sicher und sogar schneller als der Arzt
Jede Sekunde ein Stich

In der Kinderchirurgie sind Präzision und Feingefühl gefragt. Mit Hilfe moderner Mess- und Steuerungstechnik soll ein neuer Roboter „Made in Canada“ beide Eigenschaften vereinen und so Operationen deutlich sicherer und effizienter machen.

Behutsam senkt sich der stählerne Arm über einer kleinen Patientin auf dem Operationstisch. Seine Hand besteht lediglich aus einem pinzettenartigen Finger, der einen dünnen, kaum sichtbaren Faden mit sich führt. Vier Kameras sind auf das Geschehen gerichtet. Sie kontrollieren jede Bewegung des Arms. Dann geht alles ganz schnell. Der Pinzettenfinger fixiert die zu nähende Hautpartie und schließt die Wunde mit wenigen präzisen Stichen. Selbst das abschließende Verknoten und Durchtrennen des Fadens gelingt ihm mühelos.

So ähnlich könnten in naher Zukunft erfolgreiche chirurgische Eingriffe enden, zumindest wenn es nach den Technikern, Wissenschaftlern und Ärzten im SickKids Krankenhaus im Herzen der kanadischen Stadt Toronto geht. Unter der Leitung von Dr. James Drake arbeiten sie seit 2009 am so genannten KidsArm, einem Roboter, der mit einer ausgefeilten Bilderkennung und präzisen Instrumenten da eingesetzt werden soll, wo es für Ärzte besonders schwierig wird – in der Kinderchirurgie. Weil sich Organe und Knochen noch in der Entwicklung befinden, ist bei den kleinen Patienten besonderes Fingerspitzengefühl gefragt, selbst bei einem vermeintlichen Routi ne-Schritt wie dem Verschließen einer Operationswunde.
Daher unterscheidet sich der KidsArm in vielerlei Hinsicht von Robotern wie dem DaVinci-System. Dies beginnt bereits beim Gewicht: Während das Chirurgiesystem der US-amerikanischen Firma Intuitive Surgical mehr als 500 kg auf die Waage bringt, sind es beim Roboter aus Toronto maximal 90 kg. Die Instrumente, die vom KidsArm geführt werden, sind speziell auf die kindliche Anatomie zugeschnitten. „Aber der größte Unterschied liegt im technischen Ansatz der beiden Systeme“, erklärt Projektleiter Dr. James Drake. Denn während DaVinci stets einen Chirurgen benötigt, der das System bedient, kann der KidsArm mit Hilfe seiner Kameras einzelne Operationsabschnitte eigenständig ausführen. Die Anweisungen dafür werden jedoch auch bei dem Roboter „Made in Canada“ weiterhin von Menschen gegeben. Dazu benötigt der zuständige Chirurg lediglich einen Computer. Mit Hilfe der Kameras und einer speziellen Software kann er beispielsweise jeden Einstich einer zu nähenden Operationswunde genau markieren. Das Programm simuliert zur Sicherheit den Eingriff, bevor der KidsArm operiert. Dabei soll er wesentlich schneller und präziser arbeiten als seine Kollegen aus Fleisch und Blut. „Wir wollen zehn Stiche in zehn Sekunden schaffen. Also etwas, wofür ein Chirurg heute unter Umständen eine Stunde benötigt“, sagt Drake. Auch komplexere Eingriffe wie Gefäßanastomosen – also das Verbinden zweier Gefäße – sollen so in Zukunft deutlich schneller und sicherer durchgeführt werden können.
„Wir hoffen, dass wir innerhalb der nächsten zwei Jahre etwas entwickeln, womit wir anschließend im klinischen Alltag arbeiten können“, erklärte Drake im November 2011 im Rahmen einer Pressevorführung des KidsArm. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet das SickKids Krankenhaus mit weltweit renommierten Unternehmen zusammen. Dazu zählt auch der Luft- und Raumfahrtkonzern MacDonald, Dettwiler and Associates Ltd. (MDA) aus dem kanadischen Richmond, der Erfahrung in Sachen Robotik hat. Denn die MDA-Ingenieure haben bereits die Nasa-Spaceshuttles sowie den Mars Rover mit modernster Greif- und Analysetechnik ausgestattet. Für die Augen des KidsArm ist indes Philips Healthcare, eines der weltweit führenden Unternehmen im Bereich der bildgebenden Verfahren, zuständig. L-3 Communications, dessen Kompetenzen ebenfalls in der Luft- und Raumfahrt liegen, kümmert sich um das Thema Simulation. Denn zum einen soll jeder Operationsschritt, den der KidsArm zukünftig durchführt, schnell und zuverlässig simuliert werden können. Zum anderen müssen die Ärzte von morgen den Umgang mit dem Roboter ausführlich erlernen, wenn er in der Praxis bestehen soll.
Ein weiterer Erfolgsfaktor für das Projekt ist die Infrastruktur rund um das SickKids Krankenhaus in Toronto. So ist die Klinik nicht nur eng mit der Universität Toronto vernetzt, sondern verfügt mit dem SickKids Research Institute auch über eine eigene Forschungseinrichtung. Diese gilt zudem als größte ihrer Art in ganz Kanada. Das Krankenhaus selbst ist inzwischen eine der wichtigsten Anlaufstellen für besonders komplizierte Krankheitsfälle. Rund 40 % der behandelten Kinder stammen nicht direkt aus Toronto, sondern aus dem gesamten Land. Die erfolgreiche Einführung eines OP-Roboters würde diese herausragende Stellung weiter festigen. „Wir glauben, dass dies die Zukunft der Chirurgie ist“, erklärt Drake selbstbewusst. Damit ist der Chef der Neurochirurgie des SickKids Krankenhauses nicht allein. Die kanadische Regierung ist von dem Projekt so überzeugt, dass sie es im Jahr 2010 mit insgesamt 10 Mio. Kanadischen Dollar unterstützte.
Ideale Voraussetzungen für erfolgreiche Entwicklungen
Weitere Informationen Zum SickKids Krankenhaus: www.sickkids.ca Zum Roboter KidsArm: www.cigiti.com Zum DaVinci-System: www.intuitivesurgical.com

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