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Ist die Pumpe einsatzbereit?

Expertengeführte Sichtkontrolle: Beim Check vorm Einschalten wird bald nichts mehr übersehen
Ist die Pumpe einsatzbereit?

Einige prüfende Blicke vor dem Einschalten eines Medizinproduktes sind dem Anwender per Gesetz vorgeschrieben. Ein neues Gerätesystem stellt dabei gezielte Fragen zum Produkt, damit in der täglichen Routine nichts vergessen wird.

Infusionspumpen sind die am häufigsten eingesetzten aktiven Medizinprodukte im Krankenhausalltag: Annähernd 90 % aller Patienten, die stationär behandelt werden, kommen damit in Berührung. Damit sich Patient und Pflegepersonal darauf verlassen können, dass die Technik auch funktioniert, muss der Anwender vor dem Einschalten eine visuelle Kontrolle, die so genannte Sichtprüfung, durchführen. Das schreibt die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) vor.

Nur lässt sich bisher nach einem – schlimmstenfalls für den Patienten schädlichen – technischen Zwischenfall weder nachweisen, dass die geforderte Sichtprüfung stattfand, noch dass dabei alle erforderlichen Checks gemacht wurden. Daher haben Ingenieure der Jade-Hochschule in Wilhemshaven ein Konzept entwickelt, dass die Dokumentation der Prüfung ermöglicht und darüber hinaus das Pflegepersonal bei der Kontrolle unterstützt.
Ihre Lösung, die sich grundsätzlich auch auf andere Medizinprodukte übertragen lässt, besteht aus zwei Modulen: Einem mobilen Gerät, das der Bediener zur Infusionspumpe mitbringt, und einer typgebundenen Schalteinheit, die am Infusionsständer unter der Pumpe befestigt wird.
Das mobile Gerät zeigt auf seinem Display alle relevanten Fragen zur Pumpe an, zum Beispiel: Wie sieht das Gehäuse aus? Funktioniert das Display der Pumpe, ist wirklich alles lesbar? Wie sehen die Stecker und Buchsen aus? Ist das Überleitsystem aus Schläuchen und Verbindungsstücken vollständig? Lief der Selbsttest der Pumpe problemlos?
Erst wenn all diese Fragen positiv beantwortet werden konnten, lässt sich die Infusionspumpe in Gang setzen. Diese Absicherung wird durch ein Bluetoothsignal ermöglicht, welches das Handheld an die fest an der Pumpe installierte Schalteinheit sendet. Sollte es beim Beantworten der Fragen Auffälligkeiten geben, liefert das Gerät Hinweise, wie sich Mängel beseitigen lassen, meldet mögliche Fehlerquellen oder gibt Hinweise zur Stilllegung der Pumpe. Das Handheld arbeitet übrigens mit einem resistiven Touchscreen, ist also auch mit Handschuhen bedienbar.
Das neu entwickelte Gerätesystem soll vorrangig in Krankenhäusern und größeren Pflegestationen eingesetzt werden. Damit das Pflegepersonal dies tatsächlich als Hilfestellung und nicht als zusätzlichen Zeitaufwand einschätzt, muss die Nutzer-führung möglichst einfach und leicht verständlich und der Vorteil der expertengeführten Sichtprüfung – mehr Sicherheit für Personal und Patient – offensichtlich sein.
Daher wird jede abgeschlossene Sichtprüfung durch das Gerätesystem dokumentiert. So sichert sich der Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber, aber auch das Krankenhaus gegenüber dem Gesetzgeber ab. Die Anforderungen des § 2 Abs. 5 MPBetreibV und des § 4 Abs. 1/1 MPG können mit dem neuen System erfüllt werden.
Wie lange ein Mitarbeiter braucht, um die expertengeführte Sichtprüfung routiniert zu nutzen, wird unterschiedlich sein: Da die Infusionspumpen im Markt unterschiedlich sind, muss die Bedienerführung an den jeweiligen Gerätetyp angepasst sein. Beim serienreifen Gerät sollen die Anweisungen für die gängisten Infusionspumpentypen anwählbar sein.
Das Gerätesystem existiert zurzeit als Prototyp für Tests, dessen Größe und Design noch nicht optimiert sind. Getestet werden die elektrotechnischen Funktionen der Module, das Handling in der praktischen Anwendung und die Verständlichkeit der Menüführung, die von Anwendern bewertet wird. In der Labortestphase sollen Mängel erkannt und beseitigt werden. Anhand der Ergebnisse wird dann die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine optimiert. Eine Weiterentwicklung zu einem serienreifen System ist angedacht, und Konzept und Gerätesystem sind bereits zum Patent angemeldet. Beides soll im Jahr 2013 auf der Messe Medica in Düsseldorf der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Die Zahl potenzieller Anwender ist groß: In der jüngsten Studie des Statistischen Bundesamtes Deutschland aus dem Jahr 2011 wurden in der Bundesrepublik über 2000 Krankenhäuser ermittelt, mit mehr als 440 000 Mitarbeitern aus dem ärztlichen und pflegerischen Bereich. Abgesehen davon, dass ein Krankenhaus die Einführung eines solchen expertengeführen Systems zur Sichtprüfung vorgeben kann, wäre auch der Einsatz als Zubehör zu Medizinprodukten möglich.
Die Tatsache, dass laut Definition das neue Gerätesystem nicht zwingend als Medizinprodukt auf den Markt gebracht werden muss, wird die Markteinführung sehr vereinfachen. Eine europaweite Einführung des Systems wird auch durch die Harmonisierung der medizintechnischen Gesetze vereinfacht und sehr wahrscheinlich.
Kooperationspartner zur Realisierung einer Serienfertigung werden gesucht.
  • Dipl.-Ing. Thomas Lekscha, M.Sc. Jade Hochschule, Wilhelmshaven
  • Dipl.-Ing. Jens Weinert Weinert Engineering, Bad Zwischenahn
Weitere Informationen Das Entwicklungsprojekt wurde durch Mittel des Landes Niedersachsen und der Europäischen Union finanziell gefördert. Kontakt zu den Autoren Dipl.-Ing. Thomas Lekscha, M.Sc., E-Mail: thomas.lekscha@jade-hs.de Dipl.-Ing. Jens Weinert, E-Mail: info@cynox.de
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