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Individuell und mitdenkend

Laborautomatisierung: Im Labor von morgen sind Geräte in die Arbeitsplatte integriert
Individuell und mitdenkend

Endlich Platz auf den Arbeitsflächen, mitdenkende Geräte, Roboter und die komplette digitale Vernetzung: So sieht höchstwahrscheinlich das Labor von morgen aus. Dabei wird digitale Kompatibilität zum Schlüsselthema für die Hersteller.

Wer kennt das nicht: Mit Geräten vollgestellte Arbeitsflächen, das Versuchsprotokoll auf der Tischkante und die ewig gleichen, monotonen Handgriffe. In vielen Kleinunternehmen und Universitäten ist das heute noch Arbeitsalltag. Hinzu kommt: Für individuelle Lösungen fehlt oft das geeignete Gerät, oder es steht in einer anderen Abteilung. Unnötig komplizierte Arbeitsabläufe sind die Folge.

Und so sieht das Labor von morgen aus: Flexible mobile Möbel können nach Bedarf zusammengestellt werden. In die Arbeitsflächen integrierte Geräte schaffen Platz. Die vollständige Digitalisierung vom Gerät bis in das Laborprotokoll und sogar die Datenbrille ermöglichen den Anwendern, zentral die Arbeitsprozesse zu steuern, zu kontrollieren und zu protokollieren. Experten sprechen bereits vom Labor 4.0. Es geht noch weiter: Wenn ein Teil fehlt oder optimiert werden soll, zum Beispiel ein spezieller Rührer, wird es einfach per 3D-Drucker ausgedruckt.
Utopie? Nicht machbar? Nein, schon da, zumindest als Prototyp. Zu sehen war so eine Lösung bereits im Oktober in Hannover als „Smartlab“ anlässlich der Messe Biotechnica, genauer gesagt der neuen Messe Labvolution. Zwölf Unternehmen und Forschungsstätten tüftelten an diesem Labor von morgen.
„Viele Labore von heute sind noch auf dem Stand der 50er und 60er Jahre“, erklärt Sascha Beutel. Er ist Arbeitsgruppenleiter am Institut für Technische Chemie (TCI) der Leibniz Universität Hannover und zentraler Koordinator sämtlicher Aktivitäten der Arbeitsgruppe des Smartlab. „Wir brauchen heute jedoch mehr Freiheiten und müssen raus aus der analogen Welt. Daher haben wir mit dem Smartlab eine gut durchdachte Vision entwickelt.“
Dazu haben die Beteiligten sieben Trends aufgegriffen und verwirklicht: Die vollständige Digitalisierung, funktionale Oberflächen, flexibler modularer Aufbau, Roboter und Automation, 3D-Druck, intelligente Materialien und so genannte Wearables. Konkret bedeutete das als allererstes: Um alle Geräte zentral anzusteuern, mussten sie mit der zentralen Steuerungssoftware und dem Labor-Informations- und Management-System (LIMS) kommunizieren können. Unterschiedliche Kommunikationsprotokolle übersetzte die „Com-Box“, ein extra vom TCI dazu programmierter Mini-Rechner. Doch auch jeder Gerätetreiber hatte seine eigene Sprache. Eine Steuerung über den Standard SILA (Standardization in Lab Automation) sorgte hier für ein einheitliches Verständnis. Alle Gerätetreiber wurden auf ihn programmiert.
„Für Geräte mit wenigen Funktionen wie beispielsweise einen Shaker lässt sich in ein bis zwei Stunden eine SILA-Schnittstelle programmieren“, weiß Matthias Freundel, Projektleiter beim Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, in Stuttgart, „für größere Geräte wie Pipettierer mit vielen Funktionen dauert das entsprechend länger.“ Freundel war mit seinen Kollegen für die Vernetzung von Geräten und Software beim Smartlab beteiligt und sagt: „Zu jedem vorhandenen Treiber kann der SILA-Treiber programmiert werden.“
Das ist keine Zukunftsvision. Das IPA schult bereits Hersteller, wie sie die Treiber ihrer Geräte auf SILA umrüsten können und stellt dazu eine freie Softwarebibliothek, ein so genanntes Driver Development Kit, zur Verfügung. „Wir wollen so die Verbreitung dieses offenen Standards vorantreiben“, erklärt Freundel. „Bisher liegt es auf Anwenderseite, die Anbindung verschiedener Geräte in eine gemeinsame Steuerung zu schaffen. Mit SILA wird dieser Schritt maßgeblich vereinfacht beziehungsweise beschleunigt.“
Geräte, die in ein Gesamtsystem eingebunden sind, werden dadurch einfach und schnell auszuwechseln sein. Für einige Gerätehersteller birgt das natürlich auch die Gefahr, im wahrsten Sinne des Wortes austauschbar zu werden. Doch der Trend lässt sich kaum umkehren. Der Vorteil, Laboranlagen flexibel und einfach zusammenstellen zu können, wiegt einfach zu schwer. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) können so den vermehrt geforderten individuellen Lösungen ihrer Kunden gerecht werden. Die Geräte werden automatisch konfiguriert und ihre Daten an der richtigen Stelle abgelegt, auch ohne Vollautomatisierung des Laborprozesses.
Dieser flexiblen Zusammenstellung müssen selbst die Labormöbel folgen, man spricht hier vom Ballroom-Konzept. Beim Smartlab hat der Hersteller Köttermann GmbH & Co. KG aus Uetze/Hänigsen mit hexagonal geformten, roll- und vernetzbaren Möbeln auf diesen Zukunftstrend reagiert. In sie integriert und miteinander vernetzt waren für die Messe unter anderem ein Reinraumroboter der Firma Stäubli, der das Handling eines Erlenmeyer-Kolbens übernahm, eine modular konfigurierbare Analysewaage, ein Rührer und berührungsfreie Messelektronik – schmutzabweisende Oberflächen inklusive. „Daten über Sauerstoffgehalt, pH-Wert und die Entwicklung der Biomasse in Kulturgefäßen sind zukünftig schnell und ohne Probennahme abrufbar. Die Probe wird einfach über die im Labortisch integrierte Messelektronik gehalten“, sagt Dr. Gernot T. John, Direktor Marketing und Innovation der Presens GmbH aus Regensburg. Der Anbieter faseroptischer Sensortechnologie stellte für das Smartlab die Messsysteme zur Verfügung.
Dr. Reinhard Baumfalk, Vice President Instrumentation & Control Technologies bei der Sartorius AG aus Göttingen, die unter anderem die modular konfigurierbare Analysewaage zur Verfügung stellte, ergänzt: „Die Digitalisierung des Labors ist eine zentrale Herausforderung, die aufgrund ihrer Dimension und Komplexität nicht mehr allein von Laborbetreibern oder den Anbietern von Laborequipment gelöst werden kann.“ Er sieht dabei auch in der Integration und Verfügbarkeit von Daten durch das Einbinden mobiler Geräte einen Schwerpunkt.
So könnte die Digitalisierung weiterführen zum digitalen Labortagebuch auf dem PC, Tablet oder Smartphone und Wearables, zum Beispiel einer Labor-Schutz-Datenbrille. Diese unterstützt im Smartlab die Labormitarbeiter bei der Versuchsdurchführung und dokumentiert den Ablauf. Per Scanner-App können Bar- und QR-Codes erfasst und gelabelte Verbrauchsmittel wie Chemikalien und Laborgeräte direkt im Lager geloggt werden.
Und wenn ein Bauteil fehlt? Dann wir es einfach ausgedruckt. „Mit der laseradditiven Fertigung können hochpräzise Bauteile aus Kunststoff und Metall gefertigt werden, optimal angepasst an den jeweiligen Einsatzbereich“, sagt Dr. Dietmar Kracht, geschäftsführender Vorstand des Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH). Das LZH zeigte, wie der 3D-Druck im Smartlab eingesetzt werden kann, um angepassten Laborbedarf vor Ort herzustellen – von Schüttelkolbendeckeln, über Rührer bis hin zu Injektionsfläschen, alles aus biokompatiblen Materialien. „Bisher mussten wir in den Experimenten meist die Biologie oder Chemie der verfügbaren Technik anpassen. Jetzt sind wir in der Lage, die Technik an unsere Fragestellung zu adaptieren“, fasst Sascha Beutel zusammen.
Anke Biester Fachjournalistin in Aichstetten
Zum Messen wird die Probe einfach über die integrierte Elektronik gehalten

Messe: Im Doppelpack erfolgreich
Dieses Jahr war Premiere: Vom 6. bis 8. Oktober tummelten sich in Hannover rund 10 000 Fachbesucher nicht nur auf der Biotechnica, sondern auch auf der parallel angebotenen Labvolution – World of Lab Technology. Während sich die Biotechnica wie gewohnt auf Biotechnologie und Life Sciences konzentrierte, präsentierte die neue Labvolution Labortechnik für Kunden aus Chemie, Pharma, Umwelttechnik, Qualitätskontrolle und Lebensmittelindustrie.
Über 100 Aussteller waren zur Labvolution gekommen, gut 40 % davon aus dem Ausland. Laut einer Befragung beurteilten über 80 % der Messebesucher diese mit gut oder sehr gut. Der nächste Termin des Messedoppels: 16. bis 18. Mai 2017.
Weitere Informationen: www.labvolution.de

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