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In Schaum gebettet

Konstruktion: Neuartiges Prinzip halbiert Herstellzeit medizinischer Geräte
In Schaum gebettet

Es gibt in der industriellen Praxis kaum eine einfachere und schnellere Montagemethode als mit EPP-Schaum: kein Schrauben, kein Anziehen, Kleben oder Schweißen. Die Einzelteile werden schlichtweg eingelegt.

Es ist meist schwarz, dabei leicht und elastisch: die Rede ist von epandiertem Polypropylen EPP. Das vielseitige Kunststoffmaterial sieht ähnlich aus wie Styropor, wird auch auf die gleiche Weise hergestellt, unterscheidet sich jedoch durch seine Materialeigenschaften. EPP-Teile begegnen uns zum Beispiel in der Warmhalte-Box des Pizza-Service, als Füllung des Pkw-Stoßfängers oder als Möbelstück. EPP ist leicht, elastisch und verfügt über gute Isolationseigenschaften. Die vielfältigen Möglichkeiten in Bezug auf Design und Teilegeometrie werden zunehmend von Industriedesignern und Konstrukteuren entdeckt.

Auch Medizingeräte-Hersteller greifen immer häufiger zu EPP-Formteilen beim Gestalten des Innenlebens Ihrer Produkte: Für Komponenten wie Platinen, Steckverbinder, Motoren, Kabel oder Lüfter werden passende Aussparungen in den Schaumstoffteilen vorgesehen. Das Ganze erinnert stark an das Prinzip einer Pralinenschachtel. Alles hat in einem solchem „Chassis“ seinen unverwechselbar festen Platz.
Die Hamburger Weinmann Geräte für Medizin GmbH + Co. KG entschied sich bereits vor mehreren Jahren für die Aufbautechnik mit Formteilen aus EPP. Die Vorgaben für eine neue Geräte-Generation des Sauerstoff-Konzentrators Oxymat waren: mehr Komfort für die Patienten und die Verschlankung von Produktion und Service. Im EPP-Chassis fanden die Entwickler den Schlüssel zur Erfüllung dieser Forderungen.
Die Materialwirtschaft, die Produktionslogistik und der Service von Weinmann sparen Kosten durch die Reduzierung der Teilezahl um knapp 60 % auf jetzt 125 Teile. Da der Oxymat 3 überdies in der halben Zeit wie sein Vorgänger montiert wird, konnten die Herstellkosten zusätzlich gesenkt werden. Die Verantwortlichen sind begeistert vom schnellen, einfachen und unverwechselbaren Zusammenbau und vergeben die Montage von Teilbaugruppen sogar an Werkstätten für behinderte Menschen. „Für uns ist die Nutzung des Füllmaterials EPP die derzeit innovativste und nachhaltigste Lösung“, sagt Olaf Heidrich, Senior Projekt Manager bei Weinmann. „Wir sind damit in der Lage, bei höchstem Qualitätsanspruch maßgeschneidert zu produzieren.“
Die Rottweiler Metrax GmbH setzt in der Notfallmedizin im Bereich Herz/Kreislauf einerseits auf Schnelligkeit und andererseits auf Sicherheit, geringes Gewicht und Robustheit. Aus diesem Grund hat man sich auch in Rottweil bei der Neuentwicklung des Defibrillators Primedic DefiMonitor M290 wie beim Vorgängermodell M 240 für „Inletts“ aus Schock absorbierendem EPP-Schaum entschieden: Das 5 kg schwere Gerät fiel beim Falltest aus 80 cm Höhe auf alle Kanten und Seiten, ohne Schaden zu nehmen. In rauen Notfalleinsätzen erweist sich der Defibrillator dadurch als extrem zuverlässig.
Ein weiteres Beispiel ist der Bruker Multicolumn Stop/Flow Oven des Medizintechnikunternehmens Bruker BioSpin GmbH aus Rheinstetten bei Karlsruhe. Das Gerät dient der kontrollierten Erwärmung von Laborproben. Das Entwicklerteam interessierte sich auf Grund zahlreicher Vorteile erstmals für eine Gerätekonstruktion aus EPP. Ein Grund dafür war, dass auch Dauergebrauchstemperaturen von bis zu 110 °C für das Material kein Problem darstellen. Rasch erkannten die Entwickler auch die Gestaltungsfreiheiten, die ihnen das Schaummaterial bot.
Durch ein raffiniert gestaltetes Scharnier lässt sich der Deckel der Temperiereinheit nach oben klappen. Darunter befindet sich die Heizeinheit mit Heizplatte, Kapillare und Temperaturfühler. Dieser temperierte Bereich sorgt für eine konstante Temperatur von maximal 100 °C.
Im hinteren Elektronik-Bereich finden die verschiedenen Bauteile der Steuerung Platz. Alles wird in passende Vertiefungen in dem schwarzen Schaum gesteckt: Netzteil, Pumpe, Verteiler, Kabel und Schläuche. Schrauben, Blechwinkel, Nieten oder Kunststoffclipse sucht man hier vergebens. Durch die natürliche Klemmwirkung des EPP werden alle Bauteile ohne zusätzliche Befestigungselemente gehalten und fixiert.
An den Montageplätzen verändert sich durch das neue Aufbauprinzip mit EPP einiges: Druckluftschrauber, Behälter mit Kleinteilen, Montageschablonen oder ähnliches wird man vergeblich suchen. Zwei gesunde Hände reichen aus, um wie in einem Puzzle die Bauteile an ihren Platz zu stecken. Gerhard Plechinger, Konstrukteur bei Metrax, schaut auch auf das Ende eines Produkt-Lebens: „Die Geräte lassen sich leicht recyceln. Kein Schrauben, nur auseinander nehmen und trennen.“
Führender Dienstleister für die Konstruktion und Fertigung von Chassis aus expandiertem Polypropylen (EPP) ist die Ruch Novaplast GmbH + Co. KG aus Oberkirch. Der Schwarzwälder Kunststoffspezialist vermarktet die EPP-Konstruktionen unter der Markenbezeichnung Novaplex. Gerhard Huber, Vertriebsleiter bei Ruch Novaplast, betont die neuen Freiheiten bei der Produkt- und der Produktionsplanung: „Die besten Ergebnisse erhalten Sie, wenn Sie uns schon in einer frühen Phase mit an den Tisch holen. Unsere Entwicklermannschaft weiß genau, was man mit dem Material machen kann und verfügt über moderne Entwicklungswerkzeuge.“ Und Uwe Vogel, Projektleiter bei Bruker, ergänzt: „Völlig ungewohnt und für alle begeisternd war der Umstand, dass wir schon zehn Tage nach dem letzten Konstruktionsgespräch einen-CNC-gefrästen Prototypen unseres Gerätes bekamen.“
Joachim Tatje Fachjournalist in Bruchsal
Weitere Informationen: www.ruch.de

Ihr Stichwort
  • Kurze Entwicklungszeiten
  • Schnelle Montage und Demontage
  • Keine Verbindungselemente
  • Stoß- und Schockabsorption
  • Wärme- und Schallisolation
  • Geringer Wartungsaufwand

  • Was ist EPP?
    Expandiertes Polypropylen (EPP) besteht aus thermoplastisch verformbaren Schaumstoffperlen mit einem Partikeldurchmesser von 2,0 bis 7,0 mm und einer Schüttdichte von 11 bis 120 g/l. Damit lassen sich je nach Anwendungsbereich Formteildichten von 20 g/l bis 300 g/l herstellen.
    Der Rohstoff EPP beinhaltet keinerlei Treibmittel. Die Schäumstoffpartikel werden aus einem Druckfüllbehälter über Füllinjektoren in das Werkzeug eingebracht. Zu einem Formteil verschweißen die Schaumstoffpartikel mittels Sattdampfdruck von rund 4 bar.
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