Haarige Angelegenheiten

Künstliche Intelligenz – wearable computer genannt – kann überall sein. Wirklich: überall. Wir reden jetzt nicht von tragbarer Elektronik in Socken, die mit Sensoren den Druck im Schuh messen, Shirts und Hosen, die beim Sport die Vitalwerte erfassen, Google Glass, Smart Watch oder der Corsage Lumineux, die im entscheidenden Moment im Licht ihrer zufallsgesteuerten LED-Pailletten erglüht.

Nein, es gab bis vor kurzem tatsächlich eine Nische am Körper, die noch keiner als potenzielle Tragefläche für IT-Produkte erschlossen hatte. Nun ist sie mit einem Patent in japanischer Hand – denn Sony hat sich die Rechte an der Idee der Smart Wig, der schlauen Perücke, gesichert. Erst jetzt?, wundert man sich. Denn das Haupthaar liegt der körpereigenen Intelligenz so nahe, dass man auf diesen smarten Platz auch schon früher hätte kommen können.

Allerdings trifft das Konzept vielleicht nicht ideal die Erwartungen einer wichtigen Zielgruppe für technische Gimmicks. Stellen Sie sich mal die jungen Männer vor, die ihr volles Haar unter die straff sitzende Innenseite einer solchen Kopfbedeckung zwängen, um beim Eingang einer SMS ein sanftes Kraulen auf dem sensiblen Skalp zu empfinden. Oder sich vom integrierten Navi in die richtige Richtung jucken zu lassen? Und für die anderen, die sich unter einfühlsamer Unterstützung der Partnerin mit mangelnder eigener Pracht arrangiert haben, käme die Perücke einem Geständnis gleich – keiner würde glauben, dass es dem Träger um die Technik im Fifi geht, sondern einen Rückfall zu psychologischer Schwäche vermuten.

Aber wenn sich das Thema schon an den Haaren herbeiziehen lässt und es im Grunde um Kommunikation geht, braucht es nur einen winzigen Schritt abwärts, und schon sind wir bei einer neuen Nische. Was meinen Sie zum Smart Moustache? Über der Lippe ließe sich, verdeckt vom anerkannt maskulin wirkenden Bewuchs, bestimmt einiges an Technik unterbringen. Ich meine, Typen wie Thomas Schnurrbart Magnum müssten sogar dienstliche Einsatzmöglichkeiten dafür finden.

Mehr Ansatzpunkte für eine Vermarktung tun sich auf, wenn wir uns noch weiter nach unten bewegen. Schließlich gibt es zumindest eine saisonal tätige Berufsgruppe, für die das Tragen von Perücken und künstlichen Rauschebärten – in Kombination mit rotweißen Mänteln – geradezu Pflicht ist. In der üppigen Lockenpracht eines „Santa-Set mit Smart Beard“ ließen sich jede Menge Informationen verarbeiten: Wunschzettel inklusive aktueller Lieferadresse würden da zeitgemäß per SMS entgegengenommen – per Hairable Computing.

Weitere Informationen

Über das Sony-Patent

Eine grobschematische Übersicht zu gängigen Barttypen für weitere Hairable-Produktideen

Und wer mehr unerschlossene Plätze nahe der körpereigenen Intelligenz sucht, sollte unser aller Bauchhirn nicht vergessen.

Smart Belly – das wäre doch mal was!