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„Grundgerät und Auswertung sind bereits universell ausgelegt“

Elektronische Nase: Technische Details und ein Ausblick zum Jenaer Projekt
„Grundgerät und Auswertung sind bereits universell ausgelegt“

Auch wenn noch Grundlagenforschung erforderlich ist und jede Krankheit eine eigens entwickelte elektronische Nase braucht, bietet der Nachweis von Biomarkern Erfolgschancen für die Diagnose von Krankheiten. Selbst Rauschgiftkonsum könnte damit nachgewiesen werden.

Herr Professor Voß, Sie weisen im Projekt Jeena Krankheiten wie Herz- oder Niereninsuffizienz mit Hilfe einer elektronischen Nase nach. Gab es die Sensoren für die von ihnen verwendete elektronische Nase schon?

Wir arbeiten mit Spezialanfertigungen, die nicht im Handel erhältlich sind. Zusammen mit der UST Geschwenda sind wir gerade dabei, Optimierungen vorzunehmen, um die krankheitsspezifischen Biomarker noch sensitiver erfassen zu können.
Wie gelangen die Biomarker zum Sensor?
In unseren klinischen Studien wird die Ausdünstung über die Haut oder die Ausatemluft gemessen und untersucht. Bei der Hautgasmessung wird der Sensorkopf direkt in der Armbeuge platziert. Dies hat verschiedene Vorteile, wie den einfachen Zugang zu diesem Messort und eine relativ hohe Schweißabsonderung an genau dieser Stelle. Die Vorbehandlung vor der Messung ist ebenfalls einfach und für den Patienten kaum belastend. Wird die Atemluft untersucht, atmet der Patient einmalig in einen speziell dafür entwickelten Probennahmebeutel, in dem sich der Sensor der elektronischen Nase befindet.
Sensoren brauchen eine Kalibrierung und müssen geschützt werden. Wie lange arbeitet Ihr Sensor einwandfrei?
Derzeit führen wir vor jeder Patientenmessung eine Kalibrierungsmessung durch, was zu einer Art Regeneration des Sensors führt. Zur Langzeitstabilität und Vergleichbarkeit der Sensorchips sind noch weitere Untersuchungen erforderlich. Auch der Luftdruck und die Luftfeuchte könnten die Ergebnisse beeinflussen. Eine Driftkompensation wird aber bereits eingesetzt, um wesentliche Veränderungen der Sensoreigenschaften über die Zeit erkennen und korrigieren zu können. Der Ausschluss von Fremdstoffen ist ein weiteres Thema, das noch nicht abschließend geklärt ist.
Was von den bisherigen Ergebnissen ließe sich weiterverwenden, um auch andere Krankheiten zu untersuchen?
Das Grundgerät und die Datenauswertung sind bereits universell ausgelegt. Für jede neue Erkrankung müssen jedoch wieder Pilot- und Validierungsstudien durchgeführt werden, um die Eignung der für die Krankheit zugeschnittenen Sensoreinheit nachzuweisen. Parallel dazu müssen auch die Biomarker identifiziert werden. Generell können wir aber davon ausgehen, dass jede Krankheit ihr eigenes Sensorsystem benötigen wird.
Ist das ein Aufwand, den ein Industrieunternehmen leisten kann?
Eine elektronische Nase als Medizinprodukt zu entwickeln, ist für ein Unternehmen heute allein kaum zu stemmen. Wir werden nicht umhin kommen, noch Einiges in die Forschung zu investieren. Insbesondere in Hinblick auf die unterschiedlichen Erkrankungen sind noch viele Untersuchungen erforderlich, um zum Beispiel die genauen Stoffwechselprodukte, also die Biomarker, zu bestimmen und die Sensorik so zu optimieren, dass sie gerade für diese Stoffe besonders sensitiv wird. Für die Herzinsuffizienzerkennung sind wir dabei schon ziemlich weit vorangekommen. Für die restlichen technischen Arbeiten und vor allem für die aufwendige klinischen Validierung fehlt aber noch die Finanzierung. Hier hoffen wir, ein entsprechendes Anschlussprojekt initiieren zu können.
Wie spannend sind elektronische Nasen für die Medizintechnik-Branche?
Das Interesse verschiedener Medizintechnik-Unternehmen ist sehr groß, da die elektronische Nase prinzipiell das Potenzial hat, auch auf anderen Anwendungsgebieten eingesetzt zu werden. Daher ist das Thema auf internationalen Kongressen der Medizin und Medizintechnik viel beachtet.
Was könnte man – außer Krankheitsindikatoren – noch messen?
Es ist durchaus denkbar, dass auch der Einfluss von Drogen im Körper zu detektieren ist. Im Rahmen einer Pilotstudie wurden 20 Tabakraucher und 20 Cannabis-Konsumenten untersucht. Sie ließen sich gut unterscheiden. Die Hautgasmessungen erbrachten eine Sensitivität von 90 Prozent und eine Spezifität von ebenfalls 90 Prozent. Das ist ein ausgesprochen verheißungsvolles Ergebnis.
Es gibt Berichte über Hunde, die darauf trainiert werden, spezielle Stoffe im Atem zu erkennen, die beim Diabetiker einen Unterzucker begleiten. Wie sinnvoll ist dieser Ansatz?
Es heißt sogar, dass Hunde auch Krebs riechen können. Das Hauptproblem beim Einsatz von Tieren ist aber die Reproduzierbarkeit: Auch ein Hund kann erkältet sein und dann nichts riechen. Ein weiteres schwieriges Thema ist der Versicherungsschutz. Daher hat die Medizin dieses Thema offenbar erst mal nicht weiter aufgegriffen. Was gebraucht wird, ist schließlich absolute Reproduzierbarkeit, frei von jeglichen subjektiven Einflüssen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Über Prof. Anderas Voß und seine Gruppe an der FH Jena: www.fh-jena.de/~voss/ Das Forschungsprojekt Jeena endete im Herbst 2011. Eine Fortführung ist angedacht. Mehr zum Thema elektronische Nasen (Artikel aus dem April-Heft 2012) Zum Interview mit dem Sensorexperten Prof. Weimar, über Möglichkeiten und Grenzen der Technik

Forschungsprojekt Jeena: eine elektronische Nase für die Medizin
Eine elektronische Nase ist ein technisches Messsystem, in dem flüchtige Gaskomponenten mit Hilfe von Sensoren erfasst werden. Durch eine Wechselwirkung zwischen den Gasmolekülen und der Sensoroberfläche kommt es zu physikalischen oder chemischen Veränderungen der Sensoreigenschaften. Diese erzeugen elektrisch messbare Signale, die durch geeignete mathematische Modelle und Signalanalyseverfahren verarbeitet und interpretiert werden. Anhand dieser Auswertung können zwar veränderte Sensoreigenschaften dargestellt werden, jedoch ist eine genaue Stoffcharakterisierung nicht möglich.
Mit einer elektronischen Nase können Stoffe nachgewiesen werden, für die menschlichen Nasen keine Rezeptoren haben. Auch sind die Messergebnisse reproduzierbar, während menschliche oder tierische Nasen bei längerer Reizung konstante Gerüche ausblenden oder, zum Beispiel durch eine Erkältung, bestimmte Stoffe nicht wahrnehmen können.
Geruchsaufnehmer in elektronischen Nasen können verschiedene Gassensortypen sein. Die am häufigsten eingesetzten sind halbleitende Polymersensoren, Resonanzsensoren und Metalloxidsensoren (MOS). Im Jenaer System werden MOS eingesetzt.
Diese Metalloxidsensoren setzen sich zusammen aus einem Träger (Keramiksubstrat) sowie drei sensitiven Schichten aus Zinndioxid. Dessen Empfindlichkeit kann durch die Temperatur verändert werden – was im Sensor genutzt wird, indem man die Temperatur mit Hilfe von Platinheizern variiert.
Durch das Einwirken bestimmter Gase auf die Sensoroberfläche der sensitiven Schichten kommt es zu oxidierenden und reduzierenden Vorgängen, bei dem sich die elektrische Leitfähigkeit in Abhängigkeit von der Temperatur ändert. Die oxidierenden Gase wie Stickstoffverbindungen und Sauerstoff verursachen eine Verringerung der elektrischen Leitfähigkeit, wo hingegen reduzierende Gase wie Methan, Ethanol und Wasserstoff eine Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit bewirken. Je nach Gas oder Gasgemisch entstehen charakteristische Muster hinsichtlich der Leitfähigkeitsänderung.
Das Jenaer System aus einem halbleitenden Metalloxidgassensor besteht aus drei unterschiedlich sensitiven Schichten, ist also ein Multisensensor. Die derzeitige Datenanalyse erfolgt im offline-Modus, dabei werden statistische Verfahren wie die Hauptkomponentenanalyse (PCA – Principal Component Anaylsis) und die Diskriminanzanalyse angewandt.
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