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„Große Potenziale in der Medizintechnik“

Energy Harvesting: Funkstandard ISO/IEC 14543–3–10 sorgt für weitere Unterstützung
„Große Potenziale in der Medizintechnik“

Energy Harvesting ist noch eine relativ neue Form der Energiegewinnung. In wie weit sie schon für Medizintechnik und Healthcare taugt, erläutert Markus Kreitmair, Innovation Manager der Enocean GmbH, Oberhaching. Das Unternehmen zählt zu den weltweiten Trendsettern dieser Technologie.

Herr Kreitmair, in Gebäuden und in der Industrie setzen sich Funksensoren, die mit Energie aus Bewegung, Temperaturdifferenzen oder Solar gespeist werden, immer mehr durch. Wie ist der Stand in der Medizintechnik beziehungsweise im Healthcare-Umfeld?

Derzeit gibt es verschiedene Forschungsprojekte, die sich mit dem Einsatz von Energy-Harvesting-Funktechnologie in der Medizintechnik befassen. Ein Beispiel dafür ist das Projekt Somatek. Zusammen mit dem Fraunhofer IIS und der Drägerwerk AG hat Enocean hier Prototypen für einen batterielosen Notfalltaster sowie einen energieautarken Temperatursensor entwickelt. Beide Geräte beziehen ihre Energie zum Senden eines Funksignals ausschließlich aus der Umgebung. Der Notfalltaster aus der Bewegung des Tastendrucks und der Sensor mittels eines Thermowandlers über die Wärme des menschlichen Körpers. Diese Lösungen sind Teil eines Vital-Sensorik-Netzes, das ein engmaschiges Monitoring von Patienten im stationären oder ambulanten Umfeld ermöglicht.
Ein weiteres Einsatzgebiet der batterielosen Funktechnologie ist das so genannte Ambient Assisted Living, also selbstbestimmtes Wohnen im Alter (AAL). Hier reichen die Entwicklungen von intelligenten Sensoren in der Präventivmedizin, die lange Ruhephasen erfassen und über Signale zur Bewegung motivieren, bis hin zu Komfortfunktionen der Gebäudeautomation zur Steuerung von Licht, Jalousien oder Heizung und Klima. Darüber hinaus sind auch in der Pflege zahlreiche Sensorlösungen möglich, wie Wiege-, Windelsensoren oder ein Fallsensor mit Solarzellen oder einem mechanischen Wandler, der auf schnelle Bewegungen reagiert.
Gibt es in diesen beiden Bereichen besondere Anforderungen an die Energy-Harvesting-Technik?
Die Geräte müssen natürlich möglichst klein und tragbar sein. Zudem ist in der Medizin eine zuverlässige Funktionsweise unerlässlich. Deshalb ist es wichtig, die für die jeweilige Anwendung zur Verfügung stehende optimale Energiequelle, also Temperaturunterschiede, Bewegung oder Licht, zu berücksichtigen.
Ist die Technik heute verlässlich?
Enocean bietet mit der batterielosen Funktechnologie seit zehn Jahren ein zuverlässiges Energy-Harvesting-Gesamtsystem aus besonders energiesparender Technik, miniaturisierten Energiewandlern und einem standardisierten Funkprotokoll. Lösungen auf Basis dieser Technologie sind in der Gebäude- und Industrieautomation sowie in weiteren Anwendungsgebieten wie beispielsweise Smart-Home-Systemen etabliert. Krankenhäuser oder Altersheime setzen die batterielose Funktechnologie zur intelligenten Steuerung der Technik und Energie des Gebäudes ein. Die besondere Flexibilität und Wartungsfreiheit der Technologie bietet aber auch große Potenziale in der Medizintechnik, wie die genannten Beispiele zeigen.
Bei welchen Anwendungen lässt sich Energy Harvesting per Bewegung einsetzen?
In Ereignis- oder Notfalltastern lässt sich Bewegungsenergie natürlich besonders gut nutzen. Es gibt aber auf dem Markt auch bereits eine intelligente Matratze der Firma IQfy, die über einen integrierten Bewegungssensor registriert, ob sich beispielsweise ein Patient im Bett befindet und so die automatische Steuerung von Licht oder Heizung anhand der Anwesenheit ermöglicht. Zudem kann die Matratze auch Teil eines Notfallsystems sein, indem sie beispielsweise ungewöhnlich geringe Bewegungen eines Patienten an das Pflegepersonal meldet.
Wie sieht es aus mit der Nutzung der Temperaturdifferenz zur Energiegewinnung?
Medizintechnische Anwendungen, welche die Körperwärme als Energiequelle nutzen, gibt es derzeit nur in der Forschung. In der Gebäudeautomation kommen Thermowandler beispielsweise in intelligenten Heizungsventilen zum Einsatz. Diese arbeiten energieautark über die Wärme der Heizung und regeln diese automatisch nach unten, wenn ein Fenstersensor ein geöffnetes Fenster meldet.
Und welche Möglichkeiten gibt es durch Solarenergie?
Funktechnologie, die mit Mini-Solarzellen arbeitet, eignet sich für Bewegungssensoren, beispielsweise für ein automatisiertes Toilettenlicht im Krankenzimmer, um Stürze in der Nacht zu verhindern. Licht als Energiequelle ermöglicht aber auch Sensoren, die einen Sturz an ein Notfallsystem melden, sowie batterielose Fernbedienungen und Schalter. Es gibt sogar Prototypen mit textilen Solarzellen.
Die Technologie besteht ja aus mehreren Bausteinen. Dazu gehören Energiewandler, -speicher, Energiemanagement, Funkmodule und Software. Wo wurden in den vergangenen Jahren besondere Fortschritte hinsichtlich Energieeffizienz erzielt – und durch welche Entwicklungen?
Besondere Fortschritte sind sicherlich die Nutzung von Wärme als Energiequelle für Funkmodule über Thermowandler als auch die bidirektionale Kommunikation von Sensoren. Zudem ist der Enocean-Funk seit Kurzem als internationaler Standard ratifiziert. Der ISO/IEC 14543–3–10 ist der erste und einzige Funkstandard, der auch für Energy-Harvesting-Anwendungen optimiert ist. Die Standardisierung des Funkprotokolls eröffnet weitere Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten für die batterielose Funktechnologie.
Wo erwarten Sie in Zukunft weitere technische Fortschritte, die den Einsatz in Medizintechnik und Healthcare weiter beschleunigen?
Noch leistungsstärkere, immer kleinere Energiewandler in Verbindung mit zuverlässigen Funkmodulen sind hier sicherlich wichtige Bausteine für technische Fortschritte. Die dritte Generation unseres mechanischen Energiewandlers, der Eco 200 in Kombination mit dem Funkmodul PTM 330 ermöglicht beispielsweise moderne Schalter für den Schwesternnotruf. Aber auch der Matratzensensor ist ein Ergebnis kontinuierlicher Weiterentwicklung der batterielosen Funktechnologie.
In wie weit ist Energy Harvesting ein Thema für die aktuell stark diskutierten energieautarken Sensornetze?
Funktechnologie mit Hilfe von Energy Harvesting ist die Basis für batterielose und damit energieautarke Sensornetzwerke. Ein Sensornetzwerk ohne Kabel und Batterien ist besonders flexibel. Die Geräte lassen sich genau dort anbringen, wo sie den größten Nutzen bringen beziehungsweise die zuverlässigsten Messwerte liefern. Dadurch ist auch die Installation des Netzwerks besonders einfach. Zudem sind die Produkte vollkommen wartungsfrei. Diese Eigenschaft bietet große Vorteile in der Medizintechnik.
Gibt es bereits Anwendungen für Sensornetze in Medizintechnik und Healthcare? Welche sehen Sie für die Zukunft?
Neben dem etablierten Einsatz in der Gebäudeautomation von Krankenhäusern oder Altersheimen gibt es speziell in der Medizintechnik Notfalltaster, Handsender oder auch die intelligente Matratze auf Basis der batterielosen Funktechnologie. Zukünftige Anwendungsgebiete sind die Bewegungsmotivation in der Präventivmedizin oder Unterstützung in der Pflege über verschiedene Sensoren.
Was verändert sich dadurch hinsichtlich der Energieanforderungen und des Konzepts für die Energieversorgung?
Die vorher genannten Herausforderungen für Energy Harvesting-Anwendungen in der Medizintechnik sind ähnlich wie diejenigen, die wir in der Gebäudetechnik schon gelöst haben. Deshalb kann die vorhandene Technologie teilweise auch für Produkte in Medizin und Healthcare verwendet werden.
Welche Stellschrauben an Hard- und Software sind hier entscheidend?
Wichtig ist die Interoperabilität der Produkte, so dass Sensoren unterschiedlicher Hersteller problemlos in einem System miteinander kommunizieren können. Das garantiert der offene ISO/IEC-Standard, der die Basis für Geräte mit der Enocean-Funktechnologie ist. Eine weitere Stellschraube ist sicherlich eine besonders flexible Anpassung von Hard- und Software an neue Anforderungen beziehungsweise Einsatzgebiete.
Welche Herausforderungen müssen hier noch gelöst werden?
Die meisten grundsätzlichen Herausforderungen hat Enocean mit seiner batterielosen Funktechnologie tatsächlich schon gelöst. Jetzt geht es vielmehr um die Optimierung beziehungsweise Weiterentwicklung neuer Prototypen und Konzepte.
Welche Anforderungen hinsichtlich Energieeffizienz muss ein Sensornetz erfüllen, damit es verlässlich und fehlertolerant – Grundvoraussetzungen in der Medizintechnik – arbeitet?
Die wesentlichen Komponenten wie Energiewandler, -speicher und -management müssen für eine zuverlässige Funktion optimiert sein. In vielen Bereichen ist eine bidirektionale Funkkommunikation notwendig, so dass Sensoren Informationen sowohl empfangen als auch senden, also bestätigen, können. Diese energieautarke bidirektionale Kommunikation wurde in der neuen Generation von Funkmodulen mit dem Enocean Dolphin Chip realisiert. Und natürlich müssen alle Produkte formal für den medizinischen Einsatz zugelassen sein.
Für die Gebäudeautomation haben Sie mit der Enocean Alliance eine Plattform geschaffen, die die Standardisierung, Internationalisierung und Produktinteroperabilität unter verschiedenen OEM-Partnern zum Ziel hat. Haben Sie vor, dieses Modell auch auf die Medizintechnik zu übertragen?
Die Enocean Alliance hat inzwischen mehr als 250 Mitglieder weltweit. Darunter sind auch Unternehmen aus dem medizintechnischen Umfeld. Die Prinzipien der Enocean Alliance gelten genauso für Unternehmen aus der medizintechnischen Branche.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen
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