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Tagträumen: Ein durchaus profitables Geschehen

Und außerdem war da noch was
Gezieltes Tagträumen

Gezieltes Tagträumen
Bei Menschen, die häufig absichtlich ihren Gedanken freien Lauf lassen, ist der Cortex im Stirnbereich des Gehirns dicker ausgebildet (Bild: MPI CBS)
Von wegen Tagträumer schweifen unkontrolliert ab: Forscher zeigen, dass beim gezielten Tagträumen bestimmte Hirnstrukturen, die für unsere kognitive Kontrolle zuständig sind, effektiver zusammenarbeiten. Ein durchaus profitables Geschehen.

Wer kennt das nicht: Wir sitzen im Auto oder auf dem Fahrrad, fahren eine gewohnte Strecke – und, schwups, sind wir in Gedanken bei Dingen, die nichts mit dem eigentlichen Geschehen um uns herum zu tun haben: Was werde ich alles am Wochenende machen? Was muss ich dann eigentlich noch alles einkaufen? Was sage ich Herrn Meier, wenn er …? Im Straßenverkehr oder in anderen Situationen, die eigentlich unsere volle Aufmerksamkeit erfordern, ist es natürlich gefährlich, solchen Gedanken nachzuhängen. In anderen Situationen aber nicht.

Eine bewusste Entscheidung
Galt Tagträumen lange als Aussetzer in unserem kognitiven Kontrollsystem, weil Menschen oft Fehler passieren, sobald sie die Konzentration auf ihre Umgebung verlieren, weiß man heute, dass man dieses Phänomen differenzierter betrachten muss: Neben dem ungewollten, spontanen Abschweifen der Gedanken existiert eine weitere Form, bei der wir uns bewusst dafür entscheiden, unseren Gedanken nachzuhängen. Sie kann uns als eine Art mentale Probebühne dienen, auf der wir gedanklich zukünftige Ereignisse durchspielen oder aktuelle Probleme lösen.
Was bisher jedoch nur aus Verhaltensstudien bekannt war, konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und der Universität York nun anhand von Hirnstrukturen und -funktionen belegen. Mit Hilfe von Fragebögen und anschließender Magnetresonanztomographie gingen sie den Zusammenhängen auf den Grund.
Zunächst sollten sich die Studienteilnehmer selbst einschätzen, wie stark Aussagen wie „Es passiert mir häufig, dass meine Gedanken spontan abdriften“ oder „Ich erlaube mir, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen“ auf sie zutreffen würden. Ihre Angaben zum Tagträumen wurden dann in Zusammenhang mit ihren Hirnstrukturen und deren Zusammenwirken gebracht.
Hirnnetzwerke überlappen stärker
„Wir haben herausgefunden, dass bei Menschen, die häufig gewollt mit ihren Gedanken abschweifen, der Cortex in bestimmten präfrontalen Regionen, also im Stirnbereich des Gehirns, dicker ausgebildet ist“, erklärt Johannes Golchert, Doktorand am MPI CBS und Erstautor der zugrundeliegenden Studie. „Außerdem hat sich gezeigt, dass sich bei ihnen zwei entscheidende Hirnnetzwerke stärker überlappen.“ Zum einen geht es um das so genannte Default-Mode-Netzwerk, das besonders aktiv ist, wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach innen, auf Informationen aus unserem Gedächtnis richten. Zum anderen ist das so genannte fronto-parietale Kontrollnetzwerk betroffen, das als Teil des kognitiven Kontrollsystems den Fokus stabilisiert und etwa irrelevante Reize hemmt.
Den Gedanken eine stabile Richtung geben
Indem beide Netzwerke stärker miteinander verknüpft sind, könne das Kontrollnetzwerk stärker auf unsere losen Gedanken einwirken und ihnen so eine stabilere Richtung geben. Das sei der Beleg dafür, dass unsere geistige Kontrolle im Falle des gezielten Tagträumens keineswegs aussetze.
„Unser Gehirn scheint hier kaum einen Unterschied darin zu machen, ob unsere Aufmerksamkeit nach außen auf unsere Umgebung oder nach innen auf unsere Gedanken gerichtet ist. In beiden Fällen ist das Kontrollnetzwerk eingebunden“, so der studierte Psychologe. „Tagträume sollten also nicht nur als etwas Störendes betrachtet werden. Kann man sie gut kontrollieren, sie also unterdrücken, wenn es wichtig ist, und ihnen freien Lauf lassen, wenn es möglich ist, kann man den größtmöglichen Nutzen aus ihnen ziehen.“
Wenn dem so ist, gilt es also jetzt, gezielt das Tagträumen zu üben – vielleicht zum Anfangen mit einem gedanklichen Exkurs an den Strand? Oder was haben Sie am Wochenende vor?
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