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Ersatz für 90 Prozent der herkömmlichen Kunststoffe

Biokunststoffe: Großes Potenzial für neue Werkstoffe
Ersatz für 90 Prozent der herkömmlichen Kunststoffe

Ersatz für 90 Prozent der herkömmlichen Kunststoffe
Dr. Marcus Pfaadt ist Projektleiter Bioplastics bei der Wacker-Life-Science-Sparte Wacker Biosolutions
Für den Chemie-Konzern Wacker hat die Zeit der Biokunststoffe schon begonnen. Auf der Messe K 2013 wird ein Bindemittel vorgestellt, dass neue Blends ermöglicht. Dr. Marcus Pfaadt, Projektleiter Bioplastics bei Wacker, erläutert die Perspektiven.

Herr Dr. Pfaadt, wie lange wird die Kunststoffbranche noch gut mit erdölbasierten Produkten arbeiten können?

Der Großteil der weltweit eingesetzten Kunststoffe wird wohl auch in den nächsten Jahren weiterhin auf Erdöl basieren. Doch der Markt für Biokunststoffe wächst enorm, und es gibt mehrere Faktoren, die den Anteil biobasierter Kunststoffe kontinuierlich steigen lassen: Das sind der globale Nachhaltigkeitstrend, ein stärkeres Verbraucherbewusstsein für Umweltthemen wie beispielsweise die CO2-Bilanz von Produkten sowie steigende Rohölpreise.
Welche Bedeutung messen Sie den biobasierten Kunststoffen in den kommenden fünf bis zehn Jahren bei?
Der Markt für Biokunststoffe wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren mehr als verfünffachen, so eine aktuelle Prognose des Branchenverbands European Bioplastics. Noch besteht der größte Anteil aus sogenannten „Drop-in“-Lösungen, also aus Materialien, die teilweise auf nachwachsenden Rohstoffen basieren, aber chemisch identisch zu konventionellen Kunststoffen sind. Ein Beispiel dafür ist Bio-PET 30. Doch wir erwarten, dass in Zukunft biologisch abbaubare Biopolyester wie beispielsweise Polymilchsäure (PLA) und Polyhydroxyalkanoate (PHA) mehr und mehr an Bedeutung gewinnen.
Wie arbeiten Sie am Thema Biokunststoffe?
Wacker hat ein verbessertes Bindemittelsystem für die nächste Generation von Biokunststoffen entwickelt. Mit Vinnex lassen sich Biopolymere nun wie konventionelle Kunststoffe verarbeiten – Spritzgießen, Extrudieren, Vakuum- oder Thermoformen oder auch Kalandrieren. All das vereinfacht das neue Bindemittel. Das System verbessert die physikalischen Eigenschaften und macht die Materialien auch untereinander kompatibel. Dadurch lassen sich einerseits maßgeschneiderte Mischungen herstellen, andererseits aber auch ganz neue Anwendungsgebiete erschließen.
Wo liegen Ihrer Ansicht nach die erfolgversprechendsten Einsatzgebiete?
Am erfolgversprechendsten sind Anwendungen, bei denen das spezifische Eigenschaftsprofil der Biokunststoffe selbst Vorteile für den Anwender eröffnet. Beispielsweise ist die hohe Wasserdampfdurchlässigkeit von Polymilchsäure (PLA) ideal für Brot- und Gemüseverpackungen, denn durch die Atmungsaktivität bleibt die Ware länger frisch. Auch die biologische Abbaubarkeit bringt direkte Vorteile für Anwender: So können Großgärtnereien ihre Pflanzcontainer, Tomatenclips, Mulchfolien und ähnliches zusammen mit den Pflanzenabfällen direkt vor Ort industriell kompostieren.
Welche Chancen bieten sich für die Medizintechnik?
Insbesondere die Biopolymerfamilie der Polyhydroxyalkanoate (PHAs) ist für die Medizintechnik interessant und vielseitig anwendbar. Die mikrobiell hergestellten Biopolyester punkten durch individuell einstellbare mechanische Eigenschaften, akzeptable Biokompatibilität und kontrollierbare Bioabbaubarkeit im Körper. Poly-4-hydroxybutyrat (P4HB) wird beispielsweise bereits für eine Reihe von medizintechnischen Anwendungen angeboten, zum Beispiel chirurgisches Nahtmaterial.
Wann könnten biobasierte Kunststoffe preislich wettbewerbsfähig werden?
Selbstverständlich hängt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Biokunststoffe stark von der Entwicklung des Rohölpreises ab. Derzeit ist die Polymilchsäure (PLA) der am weitesten verbreitete Biopolyester. Durch den kontinuierlichen Ausbau von Produktionskapazitäten und die verstärkte Marktnachfrage ist sie bereits heute auf einem relativ niedrigen Preisniveau und damit durchaus wettbewerbsfähig. Und auch die Produkte von Wacker können zur Senkung der Herstellkosten beitragen: Mit Vinnex kann der Gehalt an günstigen Füllstoffen im Endprodukt deutlich erhöht werden, ohne auf gute mechanische Eigenschaften zu verzichten.
Gibt es neben Erdöl und der Verwendung nachwachsender Rohstoffe eine andere Möglichkeit, um zu Kunststoffen zu kommen?
Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen wird in Zukunft weltweit eine immer größere Rolle spielen. Recycling von Kunststoffen wird in diesem Zusammenhang weiterhin ein zentrales Thema sein. Bei nachwachsenden Rohstoffen wird die Verwertung von Rest- und Abfallstoffen aus der Agrar- und Lebensmittelindustrie immer weiter in den Vordergrund rücken. Darüber hinaus wird wohl auch die direkte Herstellung von Biopolymeren durch Bakterien und Pflanzen an Stellenwert gewinnen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen über Wacker Biosolutions

Bindemittel macht Bio-Werkstoffe kompatibel
Mit dem Bindemittelsystem Vinnex lassen sich Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen wie handelsübliche Thermoplaste verarbeiten. Der Anbieter, der Münchner Chemiekonzern Wacker, stellt sein weiterentwickeltes Bindemittel auf der 19. Internationalen Messe für Kunststoff und Kautschuk, der K 2013, im Oktober in Düsseldorf vor.
Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gelten als vielversprechende Alternative zu Produkten aus Rohöl. Verarbeitungsnachteile gegenüber herkömmlichen Thermoplasten verhinderten bisher jedoch einen breiteren Einsatz. Mit Vinnex, einem auf Vinylacetat basierten polymeren Bindemittelsystem, sollen Hersteller jetzt leistungsfähige Mischungen aus Biokunststoffen entwickeln können. Diese lassen sich auch auf herkömmlichen Maschinen verarbeiten, ohne dass diese modifiziert werden müssen.
Das Bindemittel verträgt sich laut Hersteller mit vielen Biopolymeren. Dem Prinzip eines Baukastens folgend, können verschiedene Typen des Mittels mit einzelnen oder mehreren Biopolyestern und Füllstoffen kombiniert werden. Je nach Anwendung lassen sich beispielsweise aus Polymilchsäure (PLA), Polyhydroxylalkanoat (PHA), Polybutylensuccinat (PBS) oder Stärke verschiedene Polymerblends erzeugen. Die physikalischen Eigenschaften der sonst schwer zu verarbeitenden Biopolymere verbessern sich dadurch deutlich, heißt es aus München. Abhängig von der Zusammensetzung und dem Bindemittel-Anteil seien die Polymerblends schlagzäher, schmelzstabiler oder flexibler als herkömmliche Biopolymere. So sollen sich je nach Anwendung die gewünschten Eigenschaften einstellen lassen.
Erste Anwendungstests, beispielsweise mit PLA, zeigten, dass sich aus dem sehr steifen Werkstoff dünnste Folien herstellen und zudem noch besser verschweißen lassen. Die Transparenz bleibt trotz Bindemittel erhalten. Biokunststoffe, die für Heißabfüllungen gedacht sind, lassen sich nach Zugabe von Vinnex auch durch thermisches Tiefziehen herstellen. Das neue Bindemittel könnte also schon bald als Rohstoff für Kaffeebecher oder Suppenbehälter dienen.
Weitere Informationen auf der Messe K 2013: Halle 6, Stand A10
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