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Erheblicher Mehraufwand durch strengere Anforderungen

Medizinprodukterecht: Das Änderungsgesetz und seine Auswirkungen
Erheblicher Mehraufwand durch strengere Anforderungen

Anfang Juli hat das Gesetz zur Änderung des Medizinprodukterechts (MPG-Ä) den Bundesrat passiert. Damit steht einem Inkrafttreten durch Verkündigung im Bundesgesetzblatt nichts mehr im Wege.

Die Änderungen betreffen vor allem das Medizinproduktegesetz (MPG), die Medizinprodukteverordnung (MPV) sowie die Medizinproduktesicherheitsplanverordnung (MPSV).

Inhaltlich setzt das MPG-Ä in erster Linie die Anforderungen der europäischen Richtlinie 2007/47/EG zur Änderung der Richtlinien 90/385/EWG über aktive implantierbare medizinische Geräte und 93/42/EWG über Medizinprodukte sowie der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten in das deutsche Recht um. Insoweit liegt ein Schwerpunkt der neuen Regelungen in der Stärkung und Konkretisierung der Regelungen über die klinische Bewertung von Medizinprodukten. Darüber hinaus nimmt der Gesetzgeber weitere Anpassungen vor.
Die mit den Neuregelungen verbundenen Pflichten werden zusätzlichen Bürokratieaufwand bei den Herstellern verursachen. Die damit verbundenen zusätzlichen Kosten müssen insbesondere auch von den stark mittelständisch geprägten Unternehmen der Medizinprodukteindustrie getragen werden. Nachfolgend sollen einige wesentliche Änderungen und ihre Auswirkungen für Hersteller näher beleuchtet werden.
Software
Die klarstellenden Änderungen im Hinblick auf Software sollten aus der Sicht der Hersteller begrüßenswert sein. In § 3 Nr. 1 MPG-Ä wird explizit klargestellt, dass Software ein eigenständiges Medizinprodukt sein kann. Gleichzeitig entfällt die Möglichkeit, Software als Zubehör zu einem Medizinprodukt nach § 3 Nr. 9 MPG einzuordnen. Soweit also Software mit einem Medizinprodukt verwendet wird, ist sie entweder ein eigenständiges Medizinprodukt (Stand-Alone-Software) oder ein integraler Bestandteil eines Medizinproduktes (integrierte Software). Im ersteren Fall ist ein eigenständiges Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, wohingegen bei integrierter Software die Überprüfung der Software Teil des Bewertungsverfahrens des gesamten Medizinproduktes ist.
Klinische Bewertungen
Hersteller sollten sich schon jetzt mit den geänderten Voraussetzungen für klinische Bewertungen vertraut machen und diese entsprechend in ihrer betrieblichen Praxis umsetzen. Die strengeren Anforderungen, insbesondere an klinische Prüfungen, bedeuten in der Praxis einen erheblichen Verwaltungs- und Kostenmehraufwand.
So verlangt § 19 MPG-Ä nun ausdrücklich, dass bei jeder klinischen Bewertung – auch wenn dies derzeit schon in der Praxis oftmals der Fall ist – eine Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen muss. Für Klasse III- und implantierbare Produkte sind künftig immer klinische Prüfungen durchzuführen. Ferner werden die Voraussetzungen für klinische Prüfungen an die für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln angeglichen. Künftig muss bei jeder klinischen Prüfung ein Sponsor oder ein Vertreter des Sponsors vorhanden sein, der seinen Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum hat. Neu ist auch die Pflicht nach § 23a MPG-Ä, die Beendigung sowie den Abbruch einer klinischen Prüfung dem BfArM zu melden. Die Meldefristen betragen bei einer Beendigung 90 Tage und im Falle eines Abbruchs 15 Tage. In beiden Fällen ist künftig ein Abschlussbericht einzureichen.
Wesentliche Änderung gegenüber den bisherigen Bestimmungen ist jedoch das zusätzliche Erfordernis der Genehmigung durch das BfArM. Bislang musste nur die Ethikkommission zustimmen und die Durchführung der zuständigen Landesbehörde angezeigt werden. Das BfArM kann von dem Genehmigungserfordernis bei Produkten mit geringem Sicherheitsrisiko absehen. Näheres dazu soll in einer Rechtsverordnung ausgeführt werden. Ist eine Genehmigung erforderlich, gilt diese nach § 20 MPG-Ä als erteilt, wenn das BfArM der Durchführung nicht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang des Antrags widerspricht.
Die Voraussetzungen an die Ethikkommission ändern sich ebenfalls. Die zustimmende Bewertung ist künftig nach § 22 MPG-Ä durch eine nach öffentlichem Landesrecht gebildete, unabhängige Ethikkommission zu erteilen. Bislang war nur die Zustimmung einer beim BfArM registrierten Ethikkommission erforderlich. Diese Ethikkommission konnte öffentlich-rechtlich (etwa Einsetzung durch ein Klinikum) oder privatrechtlich (Vereinigung) organisiert sein. Der Hersteller war insoweit in seiner Wahl frei. Durch die Änderungen sollen die Unabhängigkeit und die Objektivität der Bewertungen und Entscheidungen der Ethikkommissionen weiter gestärkt werden. Da die Entscheidungen der Ethikkommission nun hoheitliches Handeln darstellen, sind diese als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Ihre Nachprüfbarkeit unterliegt damit dem öffentlichen Recht.
Die neuen Regelungen für klinische Studien sollen nach § 23b MPG-Ä nicht für klinische Prüfungen mit bereits CE-zertifizierten Medizinprodukten gelten, soweit sich die Prüfungen innerhalb der Zweckbestimmung des jeweiligen Produktes bewegen.
Die Pflichten der MPSV werden auf klinische Prüfungen mit Medizinprodukten ausgeweitet. Der Sponsor sowie die Prüfzentren haben deshalb nach § 3 Abs. 5 MPSV-Ä schwerwiegende unerwünschte Ereignisse dem BfArM zu melden. Darüber hinaus können die zuständigen Überwachungsbehörden Maßnahmen gegen den Sponsor ergreifen, wenn er keine oder nur unzureichende korrektive Maßnahmen zur Gefahrenbeseitigung ergreift (§ 15 Satz 2 MPSV-Ä).
Abgrenzung und Klassifizierung
Künftig soll das BfArM über die Abgrenzung von Medizinprodukten zu sonstigen Produkten (beispielsweise Arzneimittel) sowie deren Klassifizierung entscheiden (§ 13 Abs. 2 MPG-Ä). Bestehen zwischen dem Hersteller und der Benannten Stelle Meinungsverschiedenheiten über die Klassifizierung eines Medizinprodukts, muss die Benannte Stelle die Sache künftig dem BfArM zur abschließenden Entscheidung vorlegen. Bislang wurden diese Entscheidungen von den jeweiligen Landesbehörden getroffen. Dadurch konnte es zu widersprüchlichen Entscheidungen für vergleichbare Produkte zwischen den Landesbehörden kommen. Durch die Zentralisierung beim BfArM sollte dies nun verhindert werden.
Ferner wird das BfArM künftig auf Antrag einer Landesbehörde oder eines Herstellers über die Abgrenzung von Medizinprodukten zu anderen Produkten und die Klassifizierung entscheiden können (§ 13 Abs. 3 MPG-Ä.). Bislang wurde das BfArM in diesen Fragen nur beratend tätig. Die letztendliche Entscheidung lag bei den jeweils zuständigen Landesbehörden. Die zentralisierte Entscheidungskompetenz beim BfArM soll zu einer bundeseinheitlichen Auslegung des Medizinprodukterechts führen.
Aufbewahrungsfristen
Die Überwachung, insbesondere auch von Medizinprodukteherstellern, durch die zuständigen Aufsichtsbehörden auf Landes- und Bundesebene soll weiter verbessert werden. In diesem Zusammenhang werden die Aufbewahrungsfristen für bestimmte Unterlagen erheblich verlängert. So ist etwa bei implantierbaren Medizinprodukten und Sonderanfertigungen grundsätzlich eine Aufbewahrungsfrist von 15 Jahren vorgesehen. Bei In-Vitro-Diagnostika und sonstigen Medizinprodukten sind Unterlagen mindestens fünf Jahre aufzubewahren.
Dr. Marc Bauer Lovells LLP, München

4. MPG-Änderungsgesetz
Das 4. Medizinprodukte-Änderungsgesetz wirkt sich in einigen wesentlichen Punkten auf die Medizinprodukte-Hersteller aus. Dazu gehören:
  • Klarstellung, dass Software ein eigenständiges Medizinprodukt (Stand-Alone-Software) oder integraler Bestandteil eines Medizinproduktes sein kann. Gleichzeitig entfällt die Möglichkeit, Software als Zubehör zu qualifizieren.
  • Klinische Studien erfordern grundsätzlich die Genehmigung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das Ethikvotum muss durch eine nach Landesrecht der Bundesländer gebildete Ethikkommission abgeben werden. Die bisherige Praxis, beim BfArM registrierte private Ethikkommissionen einzubeziehen, ist nicht mehr zulässig. Für Klasse III- und implantierbare Produkte sind klinische Prüfungen zwingend durchzuführen. Die Medizinproduktesicherheitsplanverordnung (MPSV) findet auf klinische Prüfungen Anwendung.
  • Das BfArM wird für die Abgrenzung von Medizinprodukten zu sonstigen Produkten und für die Klassifizierung von Medizinprodukten zentral zuständig sein.
  • Die Fristen zur Aufbewahrung bestimmter Unterlagen werden verlängert.

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