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Eingestrickte Wärme

Textiles Wärmesystem: Leitfähiges Garn verhindert die Auskühlung der Patienten im OP
Eingestrickte Wärme

Forscher und Experten für Strickstoffe haben sich zusammengetan und eine Lösung entwickelt, die eine Unterkühlung des Patienten im Operationssaal verhindert. In den gestrickten Modulen erzeugt ein leitfähiges Garn Wärme und gibt diese an den Körper ab.

Über Risiken bei bevorstehenden Operationen wird viel gesprochen. Dabei wird eine Gefahr oft nicht erwähnt: Gerade bei längeren Eingriffen kann es zu einer ernsthaften Unterkühlung (Hypothermie) des Patienten kommen. Durch die Anästhesie wird der Stoffwechsel und damit die Wärmeproduktion des Körpers gedrosselt. In meist auf 18 bis 22 °C klimatisierten OP-Sälen verlieren die Patienten zudem viel Körperwärme.

Zur Lösung dieses Problems entstand am Institut für Hygiene und Biotechnologie an den Hohenstein-Instituten in Bönnigheim die Idee eines textilen Wärmesystems, welches Patienten vor, während und nach einer Operation warm hält.
In einem Forschungsprojekt wurde unter der Projektleitung von Dr. Anja Gerhardts in Kooperation mit der Roma-Strickstoff-Fabrik Rolf Mayer GmbH & Co. KG aus Balingen die Idee zu einem fertigen Produkt weitergeführt. Die Heizelemente bestehen aus einem strom- und wärmeleitfähigen Garn, das in einen Rundstrickstoff eingestrickt ist. Dieses Garn erwärmt sich und das umhüllende Textil. Insgesamt besteht das System aus sechs Modulen, je ein Modul für Brust und Bauch sowie jeweils zwei für Arme und Beine.
Jedes Modul besteht aus einer Außenhülle und den innenliegenden textilen Heizelementen. Die Außenhülle ist abnehmbar, sie kann über desinfizierende Waschverfahren wieder aufbereitet werden. Die textilen Heizelemente können ebenfalls sterilisiert und somit wiederverwendet werden. Das Wärmesystem erfüllt die Anforderungen an die Hygienerichtlinien für OP-Textilien.
Als weiteren Vorteil der textilen Heizelemente nennen die Entwickler die schnelle Erwärmung: Innerhalb von 3 min erreichen die Heizelemente die Höchsttemperatur von etwa 38 °C. Danach schaltet sich das über einen Temperaturfühler geregelte Netzgerät ab. Wird die vorprogrammierte Minimaltemperatur erreicht, heizen sich die Elemente automatisch wieder auf. Die menschliche Hauttemperatur liegt durchschnittlich nur bei 31 bis 32 °C, durch den höheren Wärmebereich kühlen die Patienten jedoch nicht aus, und die Körperkerntemperatur wird konstant gehalten.
Untersuchungen haben ergeben, dass Patienten durch Konvektion über die Haut am meisten Wärme verlieren. Aus diesem Grund sind Wärmedecken bei der Hypothermieprävention zum Beispiel einer beheizten Unterlage überlegen. Vorgewärmte Tücher ohne eigene Wärmequelle kühlen schnell wieder ab, dicke unhandliche Heiz- oder Warmluftmatten können die Operateure behindern. Bei der Wärmezufuhr über Radiatoren geht viel Energie an die Umwelt verloren.
Das neu entwickelte textile Wärmesystem ist kaum dicker als ein OP-Abdecktuch und platzsparend und für die perioperative Behandlung ausgelegt, kann also vor, während und nach der Operation eingesetzt werden. Dem Patienten kann es vor der Narkose angelegt werden, der modulare Aufbau ermöglicht ein Entfernen der im Operationsfeld liegenden Teile für die Operation. Die restlichen Module verbleiben bis nach dem Aufwachen am Patienten.
Die großflächige Abdeckung und die längere Verweildauer am Patienten ermöglichen nach Angaben der Entwickler einen sehr hohen Wirkungsgrad. Zudem wirkt das frühzeitige Anlegen der Module dem raschen Temperaturabfall durch die Wärmeumverteilung vom Körperkern in die Peripherie bei der Narkose im Vorfeld entgegen. op

Die Gefahren der Hypothermie
Im Normalfall liegt die Temperatur im Körperinneren des Menschen bei 37 °C. Bereits ab 36 °C tritt ein Kältegefühl und Kältezittern (Shivering) ein. Sinkt die Körperkerntemperatur unter 35 °C, spricht man von einer Hypothermie.
Die Wärmeverluste entstehen durch Radiation (Wärmeabstrahlung des menschlichen Körpers), Konduktion (Wärmeabgabe an kältere Feststoffe oder Flüssigkeiten), Konvektion (Wärmeabgabe an die Umgebungsluft – sie wird durch Wind oder Luftzirkulation verstärkt), Respiration (Verlust von Wärme durch das Ausatmen erwärmter Luft) und Perspiration (Verdunstungskälte auf der Haut, zum Beispiel beim Schwitzen).
Im Normalzustand, wenn also die Thermoregulation intakt ist, gibt der Körper gerade soviel Wärme ab, wie er produziert. Bei einer Narkose wird jedoch der Hypothalamus, das Temperaturregulationszentrum des menschlichen Körpers, gedämpft, damit ist eine funktionierende Thermoregulation des Körpers nicht mehr gewährleistet. Zudem wird das Muskelzittern, das dem Körper zur Erzeugung zusätzlicher Wärme dient, durch Sedativa oder Neuroleptika unterdrückt – der Patient kann den Wärmeverlust nicht mehr aktiv ausgleichen.

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