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Einfach mal querdenken

Ringrundschalttisch: Schneller zu Individuellen und variablen Geflechten
Einfach mal querdenken

Technische Geflechte erobern die Medizintechnik. Wer zu deren Herstellung eine Rundflechtmaschine bauen will, muss querdenken können. So wird bei Bossert + Kast ein Ringrundschalttisch gar nicht zum Schalten, sondern „nur“ als Drehkranz- Getriebe-Kombination eingesetzt.

Ein bisschen erinnert die Rundflechtmaschine an eines dieser Zeitreiseportale, wie man sie aus Science-Fiction-Filmen kennt: Das Portal ist in diesem Fall ein senkrecht stehender Ringrundschalttisch von Weiss, der aber nur scheinbar ein Ringrundschalttisch ist. Davon ausgehend bilden gespannte Fäden ein immer enger werdendes Geflecht, das sich zu einem Tunnel verjüngt. Am Ende dann die Zukunft: Geflechte aus Metall oder Kunststoff mit frei wählbaren Kreuzungswinkeln und Bindungsarten. Doch nicht nur das: Eine Programmsteuerung erlaubt zusätzlich über die Länge des Gewebeschlauchs wechselnde Rhythmen, Überkreuzungen, Verdrillungen und Durchmesseränderungen. Die Anwendungen solcher variablen Geflechte in der Medizintechnik – beispielsweise als Stents – sind grenzenlos.

Die Maschine, die das ermöglicht, heißt Fleru 48“. Der Hersteller Bossert + Kast GmbH + Co. KG kommt aus der Schmuckindustrie und hat seinen Sitz in Pforzheim. Auf der Suche nach neuen Produkten bewies Inhaber und Geschäftsführer Georg Kleiner sein Talent als Querdenker: „Die Grundidee war, Techniken wie sie in der Textilindustrie schon seit Jahrhunderten zur Herstellung von Kordeln, Bordüren und Zierbändern genutzt werden, in die Schmuckindustrie zu übertragen. Nur, dass wir statt Fasern feine Edelmetalllitzen verwenden wollten.“ Zuerst musste jemand gefunden werden, der das jahrhundertealte Handwerk der Posamentrie, also dem Erstellen figuraler Textilien überhaupt noch beherrschte. Dann galt es einen Drahtzieher ausfindig zu machen, der 0,05 mm feine Edelmetalldrähte für die Litzenfertigung ziehen konnte.
Heute sind geflochtene Collierketten aus Edelmetall eine Produktgruppe bei Bossert + Kast. Die neu erworbene Methode nur für Schmuckfertigung einzusetzen, war dem Pforzheimer allerdings nicht genug. Auch in der Medizintechnik, der Optik oder im Fahrzeugbau besteht schließlich Bedarf für technische Geflechte. Zwar gibt es genügend Hersteller, die kilometerweise umflochtene Kabel oder Schläuche herstellen, aber genau das ist das Problem: kilometerweise. „Viele Kunden wollen relativ geringe Mengen eines individuell auf ihren Anwendungsfall abgestimmten Geflechts,“ erklärt Kleiner, „und genau das ist unser Markt.“ Besonders die Individualität hat es dem Fachmann für technische Geflechte angetan. Klassische Flechtmaschinen erlauben zwar unterschiedliche Flechtmuster, -winkel und -durchmesser, jedoch keine Übergänge, Verdrillungen, Nähte oder wechselnde Rhythmen. Etwas Neues musste her, eine frei programmierbare Rundflechtmaschine. Das Grundgerüst sollte ein senkrecht stehender Drehkranz mit angeflanschtem Getriebe sein.
Auf der Suche nach Inspiration blieb Wieland Scheider, der Konstrukteur von Bossert + Kast, auf der Messe Motek am Stand von Weiss an einem frei programmierbaren Ringrundschalttisch NR750 hängen. „Im Prinzip war der Tisch genau das, was wir suchten. Schließlich ist so ein Ringrundschalttisch im Grunde genommen nichts anderes als ein großes Lager mit einem bereits integrierten Getriebe“, so Scheider. Alles war da: ein großer Mittendurchgang von 490 mm, flache Bauweise und ein durch mehrere gegeneinander verspannte Kurvenrollen spielfreies Getriebe – fertig konstruiert und aufeinander abgestimmt, was den Konstruktionsaufwand stark reduzieren würde.
Beim Spezialisten in Buchen war man sich sehr wohl bewusst, dass sich die Ringrundschalttische „zweckentfremden“ lassen und sich für viele Anwendungen außerhalb des klassischen Rundtakts eignen. Für Scheider war es die Wunschlösung, für Weiss eine Standardanforderung: ein frei programmierbarer Tisch mit individuellem Motor. Die Rundflechtmaschine Fleru 48: das ist ein Ringrundschalttisch als Basis, und darauf sitzen 48 auf jeweils einem kleinen Schlitten montierte Klöppel. Pneumatisch kann jeder einzelne Klöppel vom drehbaren Innenring auf einen feststehenden Außenring verschoben werden. Rotiert der Innenring weiter, kommen die äußeren Fäden über den inneren zum Liegen und umgekehrt. Das Flechtmuster wird dadurch bestimmt, welche Klöppel nach außen verschoben werden und wie weit sich der innere Ring dreht. Den Überblick behält eine in Zusammenarbeit mit dem ISW der Universität Stuttgart entwickelte Steuerung. „Mit der Fleru 48 haben wir eine universelle Rundflechtmaschine geschaffen, deren Potenzial wir selbst noch nicht abschätzen können“, so Kleiner. Er freut sich auf weitere Herausforderungen nicht nur aus der Medizintechnik.
Jens Knölke Weiss, Buchen

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