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„Einfach, emotional, eigenständig“

Produktbenennung: Erst der griffige Name macht ein technisch perfektes Produkt erfolgreich
„Einfach, emotional, eigenständig“

Und wie nennen wir das neue Produkt? Was für ein Auto schon schwierig ist, wird in der Medizintechnik zur Herausforderung. Emotionale Markennamen haben sich hier noch nicht etabliert. Was trotzdem geht, weiß Expertin Sybille Kircher.

Frau Kircher, worauf kommt es bei der Benennung von Medizinprodukten an?

Gerade in hoch-innovativen Branchen wie der Medizintechnik lassen sich neue Produkte erfolgreicher vermarkten, wenn sie einen ungewöhnlichen, aufmerksamkeitsstarken Markennamen tragen. Zwar wird ein medizinisches Gerät anders vermarktet als ein Auto, ein Parfum oder ein Joghurt, und es gibt natürlich Unterschiede zwischen den Zielgruppen. Dennoch herrscht auch in der Medizintechnik der gleiche Wettbewerb wie in jeder anderen Branche. Selbst ein funktionales Produkt braucht daher einen tragfähigen Markennamen. Und der muss einfach, emotional und eigenständig sein.
Ist die Medizintechnik-Branche hier schon auf dem Weg zu guten Bezeichnungen?
Leider ist die Ansicht, dass Instrumente oder Geräte im medizinisch-technischen Bereich rational benannt werden sollten, immer noch sehr verbreitet. Doch gerade weil der überwiegende Teil der Produktkommunikation sehr rational ist und häufig auf präzisen technischen Leistungsangaben basiert, sollte der Name emotional und auffallend sein.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Medtronic, ein US-amerikanischer Hersteller medizinischer Geräte, präsentierte der erstaunten Fachwelt schon vor Jahren einen Herzstabilisator unter dem für die Zielgruppe geradezu revolutionären Namen Octopus. Der Name bringt das tintenfischartige Aussehen der Spezialapparatur auf den Punkt. Nachdem er zunächst belächelt und verspottet wurde, stellte der Name das Wettbewerbsprodukt Axius von Guidant schnell in den Schatten. In Fachkreisen wird der Name Octopus dank seiner Bildhaftigkeit längst stellvertretend für die gesamte Produktgattung verwendet. Der Markencharakter blieb dabei erhalten, da Medtronic den Namen konsequent mit dem ®-Symbol kennzeichnet.
Wie weit muss sich die Namensuche von den bekanntenPfaden wegbewegen?
Schon wenn ein Name andersartig ist, fällt er auf. Allein dadurch erlangt das Produkt eine Alleinstellung am Markt und Individualität. Betrachten wir das Diagnose-System VYOO – sprich ‚wjuh‘. Mit diesem molekulardiagnostischen System lassen sich bei Sepsis die Erreger erkennen. Dafür bekam die Jenaer Sirs-Lab GmbH den Innovationspreis Mitteldeutschland und wurde mit dem Clusterpreis Biotechnologie ausgezeichnet. Der Name orientiert sich am englischen Verb ‚view‘, zu deutsch: sehen, betrachten. Ähnlich funktioniert der Name Ysio für eine Dachmarke konventioneller Röntgengeräte, die von Siemens 2008 in Wien vorgestellt wurde. Der Name, abgeleitet vom englischen ‚easy‘, spiegelt nicht nur den Innovationsgrad und den Nutzen der Produkte wider, er macht sie auch emotional attraktiv. Die neue Generation der Ysio-Geräte löste alle Radiographiegeräte unter der Marke Siemens ab. Die Hauptproduktcharakteristika sind: extrem anwenderfreundlich, einfache Installation und Pflege, schnell und individuell zu konfigurieren, zudem schnurlos für optimale Mobilität. Die einfache Bedienbarkeit galt es im Namen umzusetzen.
Und wie kommt man nun zum Namen?
Die Basis sind eine genaue Bedarfsanalyse sowie die hierauf aufbauende Namensstrategie. Als Vorarbeit muss man zahlreiche formale, markenstrategische und produktrelevante Informationen sammeln. Die formalen Fragen sind oft am einfachsten zu beantworten: Wo soll die Marke eingesetzt werden? Welche Zielgruppen soll der Name erreichen? Welche Markenstrategien verfolgen die Wettbewerber? Wenn es darum geht, die zukünftige Marke im Wettbewerbsumfeld einzigartig zu positionieren, tun sich die Hersteller meist schon schwerer. Sobald aber das strategische und inhaltliche Fundament steht, werden bei einem professionellen Naming-Projekt mehrere Tausend Namensvorschläge erarbeitet. Nur so lässt sich der passende Namen finden.
Worauf achten Sie dabei besonders?
Da Namen für medizintechnische Produkte immer global einsetzbar sein müssen, sollte jeder Vorschlag, der in die engere Wahl kommt, auf seine sprachlich-kulturelle Eignung geprüft werden – insbesondere darauf, ob er Silben enthält, die in anderen Sprachen eine unerwünschte Bedeutung haben können. Der Name Buscopan für ein Schmerzmittel bedeutet im Spanischen wörtlich „ich suche Brot“. Das ist gerade noch akzeptabel. Homophonien, die den Absender der Lächerlichkeit Preis geben können oder sogar eine kostspielige Namensänderung erforderlich machen, können aber durch gründliche Recherchen vermieden werden.
Was ist aus Ihrer Sicht ein gelungenes Beispiel für die Benennung?
Für eine Drink- und Sondennahrung für Tumorpatienten haben wir den Namen Supportan entwickelt. Die Idee von Unterstützung wird in vielen Sprachen direkt übertragen. Darüber hinaus muss der Name leicht aussprechbar und merkfähig sein, da er das einzige Element im Marketing-Mix ist, das immer wieder zur Aussprache kommt und für Bekanntheit sorgt.
Wie lässt sich der Produktname schützen?
Es sollten stets mehrere Namen im Rahmen weltweiter Ähnlichkeitsrecherchen auf Herz und Nieren geprüft werden. Und wenn die Entscheidung gefallen ist, muss sich ein Unternehmen die internationalen Markenrechte inklusive der Domainrechte an dem Namen sichern. Andernfalls wird eine spätere Expansion in neue Märkte unter identischem Namen erschwert oder gar unmöglich gemacht.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen www.nomen.de

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