Startseite » Allgemein »

„Ein Vollsortimenter hat für die Klinik Vorteile“

Einkaufstrategien im Krankenhaus: Dafür sollten Hersteller gerüstet sein
„Ein Vollsortimenter hat für die Klinik Vorteile“

„Ein Vollsortimenter hat für die Klinik Vorteile“
Dr. Wolfgang Sening ist Gründer und Geschäftsführer der Senetics Healthcare Group GmbH & Co. KG, Erlangen
Der dauerhafte, fehlerfreie Betrieb von Medizinprodukt oder Medizingerät spielt im Klinikalltag eine größere Rolle als der Preis. Je komplexer das Produkt, desto wichtiger der Service. Und den finden Krankenhäuser eher beim Hersteller als bei einer Einkaufsgemeinschaft, meint Dr. Wolfgang Sening.

Herr Dr. Sening, wie sehen Sie das Zusammenspiel von Klinik und Medizinproduktehersteller?

Der globale Wettbewerb wird immer härter – und deshalb spielt der Kostenfaktor für die Medizinprodukteindustrie mittlerweile eine große Rolle. Und wir haben eine Änderung in der Zulieferstruktur allgemein. Früher hatten Hersteller wie Siemens oder Fresenius eine eigene große Fertigungstiefe. Sogar Elektromotoren, Spritzgussteile oder Zerspanungsteile wurden im eigenen Haus gefertigt. Heute haben wir eine Zulieferstruktur wie im Automotive-Bereich. Der Hersteller vergibt einen Auftrag an einen OEM, der die einzelnen Teile von Unterzulieferer bekommt, sie montiert und schließlich das komplette System oder das komplette Gerät an den Hersteller liefert. Diesen Effekt, den wir auf industrieller Seite haben, sehen wir inzwischen auch auf Seiten der Schnittstelle vom Unternehmen zum Krankenhaus: Für eine Klinik oder ein Krankenhaus hat ein Vollsortimenter gewissen Vorteile – nicht nur logistisch, sondern ganz klar auch von der Beschaffung her. Also je mehr ein Medizintechnikunternehmen anbieten kann, desto besser ist es.
Das heißt, nur die Großen kommen zum Zug?
Nein, aber wenn man sich die Wachstumsmärkte anschaut wird schnell klar: In Deutschland werden keine neuen Krankenhäuser mehr neu gebaut. Wir sind eher froh, wenn wir den aktuellen Stand halten können. In Ländern wie der Nahe und der Mittlere Osten oder Saudi Arabien dagegen sind Hunderte von Krankenhausneubauten geplant. Da stellen sich doch die Fragen: Wer wird diese Krankenhäuser denn einrichten? Wo kommt die Medizintechnik für die Ausstattung her? Und später die ganzen Verbrauchsartikel – wer liefert die? Das sind ganz neue Märkte, die auch einen ganz anderen Druck auf die deutsche Medizinprodukteindustrie ausüben: Wenn Sie bei einer Ausschreibung in Saudi Arabien mit einem Produkt zum Zuge kommen wollen, dann ist das natürlich schwierig, damit zu punkten. Wenn Sie aber beispielsweise vollumfänglich einen großen Teil der Diagnostikgeräte für 20 neue Krankenhäuser liefern können, dann ist das natürlich viel einfacher.
Welche Rolle spielen Einkaufsgemeinschaften?
Manche Kliniken nutzen Einkaufsgemeinschaften, andere nicht. Natürlich kommt es immer auf die Produktgruppe an, aber je komplexer ein Produkt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass man es direkt beim Hersteller kauft – und dann natürlich auch dessen Service und Dienstleistung nutzt. Vor allem bei den komplexeren Produkten spielt meiner Meinung nach der Preis dann doch eher eine untergeordnete Rolle spielt gegenüber dem dauerhaften, fehlerfreien Betrieb eines Medizingeräts.
Wird sich das künftig ändern?
Ich denke nicht. Aus dem einfachen Grund, dass im Gesundheitswesen die Qualität der Versorgung an erster Stelle steht. Service, Wartung und Ferndiagnose sind in der Praxis enorm wichtig, denn wenn ein Gerät in einer Arztpraxis oder in eine Klink ausfällt, kommen auf den Betreiber während dieser Zeit hohe Ausfallkosten zu. Und wenn ich keinen Service bekomme, interessiert es Niemanden, ob ich das Gerät günstig bekommen habe.
Sind Einkaufsgemeinschaften für Hersteller trotzdem interessant?
Das kommt darauf an, was der Hersteller produziert, aber es kann sicherlich interessant sein. Prinzipiell stellt sich die ja Frage: Womit kann sich ein deutscher Medizintechnikhersteller von günstigen Lieferanten aus anderen Nationen abheben? Bisher ist es ja so, dass deutsche Unternehmen auf dem Weltmarkt eine gute Position haben und vor allem durch unsere mittelständische Ausprägung unglaublich viele kleine Nischen nicht nur technologisch besetzen, sondern häufig auch Weltmarktführer oder zumindest ganz weit vorne mit dabei sind. Dadurch haben wir in diesem Segment nicht so viele Wettbewerber. Und natürlich ist die Qualität aus Deutschland gefragt. Aber wenn man sich mal potenzielle Konkurrenten aus anderen Nationen anschaut – gerade in den Bereichen, die für die Einkaufsgemeinschaften eine Rolle spielen wie Verbrauchsartikel und einfachere Medical-Produkte – dann haben wir einen starken Wettbewerb aus dem Ausland, wo diese Produkte billig und in großer Stückzahl hergestellt werden. Hier können Einkaufsgemeinschaften eine interessante Alternative sein. Und natürlich gibt es auch Beispiele, wo ausländische Unternehmen aus Billiglohnstandorten kaum einen Fuß in die Tür bekommen. In Deutschland sind das beispielsweise Einwegspritzen: Die werden bei uns so hoch automatisiert und deshalb günstig produziert, da hat selbst China keine Chance.
Wie können Hersteller noch punkten?
Je komplexer das Medizinprodukt, desto eher liefert der Innovationsgehalt des Gerätes einen Anschaffungsgrund. Wenn ich mir ein namhaftes Universitätsklinikum vorstelle, das entsprechende Professoren beschäftigt, die Vorträge halten und publizieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie sich immer mit dem aktuellsten medizintechnischen Anlagen ausstatten wollen. Vor allem in Europa und Nordamerika herrscht hier ein hoher Innovationsdruck. Also sollten Lieferanten nicht nur möglichst innovative Produkte anbieten, sondern auch den Vertrieb dahingehend auslegen und die Geräte oder Systeme auf den relevanten Messen oder Ärztekongressen entsprechend präsentieren. Man braucht in der Branche Meinungsbildner, also Professoren, die sagen, ja, wir haben mit diesem Gerät in der Chirurgie oder Diagnostik gearbeitet und es ist eine deutliche Verbesserung erkennbar. Das ist eigentlich der Weg, wie man teure, erklärungsbedürftige Medizintechnik in die Klinik oder in den Markt bekommt.
Und bei den einfacheren Produkten?
Im Verbrauchmittelbereich ist es natürlich ganz anders. Bei Kathetern oder Wundverbänden gibt es in der Regel keine technischen Revolutionen in diesem Ausmaß. Deshalb ist dem Klinikeinkauf der Preis bei diesen nicht unwichtig. Und deshalb wird hier auch häufig auf Einkaufsgemeinschaften zurückgegriffen. Trotzdem spielt natürlich auch hier die Qualität eine wichtige Rolle. Und ohne CE-Zulassung kommt es sowieso nicht in den Markt.
Haben Sie sonst noch einen Tipp für die Hersteller?
Interessant ist, dass sich viele Medizinunternehmen und Lieferanten gar nicht damit befassen, wie die Kliniken mit ihrem Verpackungsmaterial umgehen. Eigentlich müssten sie es zurück nehmen. Das ist keine Kernkompetenz, das ist schlicht und ergreifend der Service, der gesetzlich vorgeschrieben ist. Viele Kliniken sind sehr verärgert, weil die Unternehmen sie auf diesem Verpackungs-Problem sitzen lassen. Mit einem vernünftigen Lösungsansatz könnten die Unternehmen hier bestimmt punkten.
Susanne Schwab scsu@konradin.de
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de