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Ein Hauch von iPhone

Trendstudie Medical Design: Gerätehersteller entdecken Apple, Insekten und Reinweiß
Ein Hauch von iPhone

Design-Experten haben neue Produkte aus der Medizintechnikbranche unter die Lupe genommen. Im Interview erläutern sie die Ergebnisse ihrer Trendanalyse 2011 – und geben einen Ausblick auf zukünftige Strömungen.

Sie haben eine Studie zu den aktuellen Designtrends von medizinischen Geräten herausgegeben. Was war Ihre Intention?

Alexander Müller: Unsere Kunden erwarten professionelle Designberatung. Dazu gehört, dass wir die Trends von heute kennen und wissen, was morgen auf die Entwicklung von hochwertigen Produkten Einfluss nimmt. Daher nutzen wir jede Möglichkeit, um Innovationen aufzuspüren und am Puls der Zeit zu bleiben.
Welche Produkte haben Sie betrachtet, und was war besonders auffällig?
Sebastian Maier: Die jährlich wiederkehrende Studie umfasst für 2011 fast alle Bereiche der Medizintechnik, vom Clinical Equipment, Home Care bis hin zum Reha-Bereich. 2012 werden wir auch Verbrauchsmaterialien und Disposibles dazunehmen. Hier tut sich immer mehr, was das Design betrifft. Auffällig war in diesem Jahr, dass sich viele medizinische Geräte an Apple orientieren. Touchdisplays, Multitouch-Displays, 3D-Anwendungen – der Einfluss des iPhones ist unverkennbar, und das Design kommt nicht nur im Konsumgüterbereich sehr gut an. Interessant ist, dass nach der bunten Phase die ersten Produkte wieder komplett in Reinweiß oder sehr kontrastreich in Schwarz-Weiß gestaltet wurden.
Alexander Müller: Auffallend sind auch Produkte, die wie skalierte Insekten aussehen. Wir sprechen hier von ‚Organic-Insect‘. Die Produkte sind vielfarbig und extrem organisch gestaltet, wirken aggressiv und unruhig, fallen auf. Einsetzbar sind sie in meinen Augen wohl nur in Schönheitskliniken, vielleicht im Reha-Bereich.
Müssen medizinische Geräte nicht in erster Linie funktionieren?
Alexander Müller: Natürlich. Aber gutes Design unterstützt und verbessert die Funktionalität. Es geht darum, Schwachstellen in der Bedienbarkeit von Geräten oder in ihrer Integrierbarkeit in den Arbeitsablauf auszuloten, um nachfolgende Modelle besser und sicherer zu machen.
Macht Design die OP- und Labortechnik nicht besonders teuer?
Alexander Müller: Produkte im Gesundheitsbereich sind sehr kostensensibel. Jedes neue Gerät muss mehr leisten und weniger kosten als das Vorgängermodell. Design ist aber kein Zusatzposten, sondern trägt dazu bei, die Produktionskosten zu senken. Den Einfluss von Design auf die Qualität und den Markterfolg ihrer Produkte haben nach den Großen wie Philips und Siemens auch zahlreiche Mittelständler erkannt.
Was ist besonders beim Medical Design?
Sebastian Maier: Der Medizinbereich ist stark reguliert, so ist auch die Designentwicklung mit unterschiedlichen Auflagen konfrontiert. Sie können nur dann schnell und flexibel agieren, wenn Sie sich mit all diesen Vorgaben auskennen. Hinzukommt der globale Aspekt: Wir arbeiten für internationale Marktführer, die auch in China und Brasilien erfolgreich sein wollen.
Und welche Trends sind zu erkennen?
Alexander Müller: Weil die Technik komplex ist, entwickeln sich Trends im Medical Design langsam. Vor ein paar Jahren gab es zum Beispiel noch keinen Kunststoff, der nicht vergilbte oder gelblich wurde. Außerdem war es schwierig, perfekte Oberflächen in Spritzgusstechnik herzustellen. Durch Computersimulationen ist dieses Problem beherrschbar geworden – und Designer nutzen die neuen Möglichkeiten. Das beste Beispiel dafür sind aktuell reinweiße Hochglanzoberflächen.
In der Medizin spielt die Wahrnehmung, auch von Farben, eine große Rolle. Sie arbeiten mit einer Psychologin zusammen. Wie sieht das in der Praxis aus?
Alexander Müller: Farben und Formen lösen Emotionen aus und beeinflussen, wie ich ein Gerät wahrnehme. Auch die Haptik der Materialien spielt eine sehr große Rolle: Ein gummierter Griff fühlt sich besser und hochwertiger an als ein Edelstahlgriff. Wir versuchen, gemeinsam mit der psychologischen Fachkompetenz die optimale Lösung für alle – Auftraggeber, Anwender und Patient – zu gestalten.
Sebastian Maier: Natürlich müssen wir dabei berücksichtigen, dass jeder Mensch Dinge unterschiedlich wahrnimmt. Es gibt aber bestimmte Formen und Farben, mit denen unterschiedliche Attribute und Eigenschaften in Verbindung gebracht werden. Deshalb werden typische Farben im Medical Design auch so häufig eingesetzt. Weiß und blau zum Beispiel. Diese Farben symbolisieren Hygiene und Reinheit.
Gibt es dabei Unterschiede zwischen Frauen und Männern, Kindern und Erwachsenen?
Alexander Müller: Die größten Unterschiede finden sich in der Wahrnehmung von Farbe. Männer finden Farben ansprechend, die technischer Natur sind: silber, blau, orange, schwarz und grau. Frauen tendieren zu Pastellfarben. Kinder, das weiß man inzwischen, nehmen Farben genau so wahr wie Erwachsene. Für sie spielen eher andere Dinge eine Rolle. Wir arbeiten zum Beispiel an Spritzen, die lustig aussehen und nicht so viel Angst vor dem Piekser machen.
Welche Trends erwarten Sie im kommenden Jahr?
Sebastian Maier: Der Trend geht zur Miniaturisierung. Im vergangenen Jahr haben wir das erste mobile Ultraschallgerät im Handyformat gesehen – das hat Zukunftspotenzial. Darüber hinaus erwarten wir neue Medical-Apps für das iPhone, Touch-Anwendungen und 3D-Applikationen, die ohne Brille funktionieren.
Julia Wilmer Fachjournalistin in Erlangen
Weitere Informationen Corpus-C Design Agentur mit Sitz im Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg (EMN) wurde 2007 gegründet. Das mittlerweile zehnköpfige Team ist auf strategisches Produktdesign in den Bereichen Medizintechnik, Pharma und Labor spezialisiert. www.corpus-c.de

Ihr Stichwort
  • Designtrends in der Medizintechnik
  • Anpassung an Gesetze und international verschiedene Vorlieben
  • Neue Möglichkeiten durch technischen Fortschritt
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