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Die Cloud eröffnet neue Chancen für die Medizin

Diskussion: Experten streiten noch zu sehr über die Technik
Die Cloud eröffnet neue Chancen für die Medizin

Datensicherheit und -schutz werden nach wie vor beim Bezug von Infrastruktur, Software und Services aus der Cloud diskutiert. Zudem beschränkt sich die Diskussion auf Bits und Bytes – statt auf die Chancen, die die Wolke der Medizin bietet.

Fünf Milliarden Dollar wird das Gesundheitswesen weltweit bis 2017 in Cloud Computing investieren, prognostiziert Marketsandmarkets in einer aktuellen Studie. Das US-Marktforschungsunternehmen geht davon aus, dass 2011 mindestens 4 % des gesamten Gesundheitswesens in die Cloud gewechselt sind. 2012 soll dieser Anteil bereits auf bis auf 20,5 % angewachsen sein.

„Viele Unternehmen und Privatleute nutzen heute die Cloud, ohne es zu wissen“, sagte Marc L. Holtorf, Partner der international tätigen Anwaltskanzlei Clifford Chance, auf einer Podiumsdiskussion während der Medica in Düsseldorf. Dass das Gesundheitswesen hier keine Ausnahme macht, verwundert ihn nicht: „Der große Treiber ist der Kostendruck im Gesundheitswesen. Denn die Verlagerung von IT in die Cloud birgt hohe Kostenreduktion.“
Die Experten sprechen hier von Skaleneffekten: Je mehr Anwender sich die Software oder Speicher-Plattform teilen, die vom Anbieter verwaltet und betrieben wird, desto kostengünstiger kommt dies für den einzelnen. „Der Mehrwert kommt über den Einkauf“, erklärt Jens-Uwe Thieme, Head of Health Cloud Solutions beim IT-Dienstleister CSC. Hinzu kommt, dass der Anwender das Know-how für die Technologie nicht mehr vorhalten muss, sondern nur noch der Anbieter.
Das Konzept birgt außerdem die Chance, die IT im Unternehmen flexibler zu betreiben als mit einer intern betriebenen IT oder einem klassischen Outsourcing-Vertrag. Thieme nennt ein Beispiel: „Wenn eine radiologische Praxis ihre Bilder in der Cloud speichert, bezahlt sie auch nur für den notwendigen Speicherplatz. Somit kann sie die Leistung je nach Geschäftsentwicklung schnell hoch- und runterskalieren.“
Würde sie die Bilder intern speichern, müsste sie die Größe des Storage-Systems beim Kauf für das Wachstum der nächsten Jahre auslegen – und müsste dann später entweder das System erweitern oder es aber gleich so groß kaufen, dass das System zunächst überdimensioniert ist. Bei einem klassischen Outsourcing-Vertrag wird das mögliche Wachstum bereits zu Beginn des Vertrags auf Jahre hinaus festgelegt.
Trotz aller Vorteile, die das Cloud Computing bietet, bleibt ein großes Fragezeichen für so sensible Bereiche wie der Healthcare: die Sicherheit der Daten. „Der Datenschutz ist das alles beherrschende Thema, da die Messlatte im Gesundheitswesen sehr hoch ist. Jeder, der die Cloud nutzen will, muss sich fragen, wie man diesem Rechnung tragen kann, wenn es um personenbezogene Daten geht“, bestätigt Holtorf.
So empfehlen die Experten, die Daten nicht einem x-beliebigen Provider anzuvertrauen. Thieme rät etwa von Anbietern wie Amazon oder Google ab, da sie die Daten in einem ihrer weltweiten Rechenzentrum ablegen, in dem gerade Platz ist. Ein Passus im Vertrag wie „Die Daten verlassen den deutschen Rechtsraum nicht“ erspare viele rechtliche Probleme.
Cloud Provider werben gerne damit, dass dies alles eine Sache des Vertrauens sei. „Die Vertrauensfrage ist nicht wesentlich“, stellte Dr. Christian Henrich, Abteilungsleiter am FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe während der Diskussion auf der Medica klar. „Das Vertrauen kann man mit Marketingkampagnen zwar erhöhen. Doch damit sind die Daten noch lange nicht sicher.“ Deshalb plädiert er für technische Lösungen, die die Sicherheit der Daten in der Wolke erhöhen.
„Die Verschlüsselung der Daten von Ende zu Ende wird künftig eine große Rolle spielen, sonst sind die datenschutzrechtlichen Probleme nicht in den Griff zu bekommen“, ist Rechtsanwalt Holtorf überzeugt. Es gehe nicht allein darum, mögliche Hackerattacken von außen abzuwehren. Man müsse vielmehr auch die Gefahr bannen, dass Administratoren unerlaubterweise auf die Daten zugreifen können.
Diese Auffassung teilt Dr. Adrian Spalka, Corporate Head of IT-Security des Softwareanbieters Compugroup Medical AG, Koblenz: „Die Cloud bedeutet das Ende der Klartext-Verarbeitung von Daten.“ Und so funktioniere die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Die Daten werden in der Arztpraxis beispielsweise verschlüsselt, im Rechenzentrum des Cloud Providers dann verschlüsselt verarbeitet. Von dort gehen sie zurück an die Arztpraxis, die mit ihrem Schlüssel alleine die Daten wieder entschlüsseln kann.
„Die Verschlüsselung und Anonymisierung der Daten ist nur bis zu einem gewissen Grad realisierbar. Hier gibt es einen Widerspruch zwischen Forschung und Praxis im Krankenhaus“, zweifelt Prof. Dr. Kurt Heinz Marquardt, Bereichsleiter Konzern-IT der Rhön-Klinikum AG, die Umsetzbarkeit des Konzepts an. Auch FZI-Wissenschaftler Henrich ist skeptisch: Erst seit zwei Jahren seien Verschlüsselungstechnologien verfügbar, mit denen man rechnen könne; diese seien allerdings wenig effizient und performant. Antwortzeiten von mehreren Sekunden seien üblich. Spalka aber ist überzeugt: „Die Verschlüsselung ist praktikabel.“
Marquardt hat indes ein ganz anderes Problem identifiziert: „Solche Details von Algorithmen verstehen weder Krankenhausvorstände noch Chief Information Officer.“ So lange die Diskussion auf einer solch technischen Ebene geführt werde, erzeuge man keine Nachfrage nach Cloud Computing. Die Branche habe es bislang versäumt, die eigentlichen Vorteile für das Business hervorzuheben – nämlich die Wissensgenerierung: Die Cloud eröffne schließlich völlig neue Chancen, anonymisierte Daten von vielen verschiedenen Stellen weltweit im Gesundheitswesen zusammenzuführen. Damit könne die Qualität der medizinischen Arbeit deutlich erhöht werden. Marquardt: „Dies ist kein Wunschtraum.“
Sabine Koll Journalistin in Böblingen
Die Daten könnten künftig von Ende zu Ende verschlüsselt werden

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