Informatiker setzen auf ein ungenutztes biometrisches Merkmal, das bei Brillencomputern wie Google Glass angewendet werden kann: Der Schädelknochen des Anwenders liefert den digitalen Zugangscode.
„Brillencomputer wie Google Glass finden insbesondere in Unternehmen und Universitäten ihren Einsatz: Sie helfen bei Physik-Experimenten, in Chemie-Laboren, zeichnen medizinische Untersuchungen auf und unterstützen Kinderärzte während Operationen“, sagt Andreas Bulling vom Exzellenzcluster für „Multimodal Computing and Interaction“ an der Universität des Saarlandes. Dort leitet der Informatiker die Gruppe „Perceptual User Interfaces“ und forscht außerdem am benachbarten Max-Planck-Institut für Informatik. „Die Nutzer haben bei diesen Anwendungen nicht die Hände frei, um umständlich ein Passwort einzugeben. Außerdem teilen sich oft mehrere Personen ein Gerät und speichern darauf sensible Daten ab“, erklärt Bulling. Nicht nur die Daten, auch die Brillencomputer selbst lassen sich leicht stehlen. Dies bestätigt eine Studie des Branchenverbandes Bitkom aus dem vergangenen Jahr. 28 % der 1074 befragten Sicherheitsexperten aus Unternehmen gaben an, dass in den vergangenen zwei Jahren Geräte auf diese Art und Weise samt den darauf gespeicherten Daten verschwunden sind.
Um im Falle eines Diebstahls den Zugang zu Google Glass zu schützen und den rechtmäßigen Nutzer zu erkennen, haben Andreas Bulling und Youssef Oualil von der Universität des Saarlandes zusammen mit Stefan Schneegass von der Universität Stuttgart eine neue Methode entwickelt. Dabei nutzten die Forscher auf geschickte Art und Weise die Sensoren, über die der Brillencomputer ohnehin verfügt. Neben dem Miniatur-Mikrofon ist dies der so genannte Bone Conduction Speaker, der unsichtbar in das Gestell in der Nähe des rechten Ohrbügels eingelassen ist. Mit Hilfe der „Knochenleitung“, auch Knochenschall genannt, überträgt er Töne auf die gleiche Art und Weise zum Ohr, wie es spezielle Hörgeräte tun. Dazu leitet er Schallschwingungen über den das Ohr umgebenden Schädelknochen direkt an das Innenohr.
„Da der Schädelknochen individuell unterschiedlich ist, wird dabei das Tonsignal auf eine für jeden Menschen charakteristische Art und Weise verändert. Das aus dem Schädelknochen austretende Tonsignal nutzen wir dann als biometrisches Merkmal“, erläutert Bulling. Dazu lassen die Forscher den Knochenschall-Lautsprecher ein Signal abspielen, das ein breites Frequenzspektrum abdeckt. Das durch den Schädelknochen veränderte Audiosignal nehmen sie mit dem in der Brille integrierten Mikrofon auf.
„Aus dieser Aufnahme extrahieren wir mit zwei speziellen Rechenverfahren die Identifikationsmerkmale und setzen diese zu einer Art digitalem Fingerabdruck zusammen. Dieser ist charakteristisch für jede Person und wird dann abgespeichert“, sagt Bulling. Setzt von nun an jemand den Brillencomputer auf, startet der Vorgang automatisch. Passt der aktuelle Audio-Fingerabdruck zu dem abgespeicherten, bekommt die Person Zugriff auf die Brille. Die Forscher können sich ihr „Skull Conduct“ getauftes Verfahren grundsätzlich auch am Smartphone vorstellen.
Weitere Informationen: Publikation des MPI Video dazu auf Youtube
Teilen: