Leben retten allein reicht nicht – ein Produkt muss auch wirtschaftlich interessant sein. Das zur Entwicklung und Markteinführung nötige Expertenwissen will die European Tech Tour Association mit ihren MedTech Summits vermitteln.
Herr Hashemi, warum wurde dieser erste MedTech Summit veranstaltet?
Wir wollten das Ökosystem Medizintechnik zusammenbringen. Das heißt, den Kontakt knüpfen zwischen den 24 vielversprechendsten, privaten europäischen Unternehmer in diesem Gebiet und Schlüsselfiguren aus Europa, den USA und Asien, die ihnen bei der Finanzierung ihrer Vorhaben sowie der globalen Vermarktung helfen können. Ziel ist es natürlich letztendlich, Innovationen zu den Patienten zu bringen, die sonst vielleicht nicht auf den Markt kommen würden.
Was muss ein neues Produkt in der Medizintechnik leisten, um erfolgreich zu sein?
Es reicht heute nicht mehr aus, dass ein Produkt Leben rettet. Um angenommen zu werden, muss es die Kosten für das Gesundheitswesen reduzieren, etwa durch eine verkürzte Operationszeit oder schnellere Genesung. Entschied früher der Arzt, ob er ein neues Produkt einsetzen wollte, liegt diese Entscheidung heute hauptsächlich bei den Zahlungspflichtigen, die sehr knappe Ressourcen verteilen müssen.
Wie können Unternehmen die Chancen erhöhen, dass ihr Produkt von den gesetzlichen Krankenversicherern (GKV) erstattet wird?
Besonders wichtig ist es, klinische Studien von vorn herein so auszulegen, dass sie neben den medizinischen Daten auch ökonomische Daten im Vergleich zu derzeitigen Standardverfahren erbringen.
Mit diesen Erkenntnissen ausgerüstet, muss dann die Marketingabteilung auf Ärzte zugehen und sie nicht nur von der Qualität des Produktes überzeugen, sondern vor allem auch von seinen wirtschaftlichen Vorteilen.
Können Entwickler den Patienten direkt als Endkonsumenten ansprechen?
Das ist eine sehr komplizierte Frage. Nehmen wir das Beispiel Katarakt-Operationen. Bei den herkömmlich verwendeten monofokalen Linsen muss der Patient für den Rest seines Lebens eine Lesebrille haben. Mit bereits erhältlichen bifokalen Linsen, die rund 8000 Euro teurer sind, wäre das nicht mehr nötig. Obwohl das aus der Sicht des Patienten ein Riesenfortschritt wäre, zahlen die GKV diese Linsen derzeit noch nicht. Der Patient hat noch nicht einmal die Wahl, den Aufpreis selbst zu übernehmen, sondern müsste dann die kompletten Operationskosten tragen. Diese Regelung sehen wir als riesige Hürde für die Markteinführung neuer Technologien und führen derzeit in fast jedem Land Debatten darüber mit den Gesetzgebern.
Was ist der größte Fehler, den Unternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte begehen?
Zu wenig Marktforschung betrieben zu haben! Ein Feld ohne Konkurrenzprodukt gibt es eigentlich nicht, aber oft behaupten Unternehmen dies, wenn sie Finanzierungspartner suchen.
Monika Corban Freie Journalistin in Liestal/Schweiz
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