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Das Fünf-Zehen-Faultier

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Das Fünf-Zehen-Faultier

Das Fünf-Zehen-Faultier
Beim Faultier hat die Evolution gute Arbeit geleistet: Es ist an Effizienz quasi nicht zu überbieten. Warum nur nehmen es so wenige als Vorbild? Bild: photographee2000 – Fotolia.com
Was, Sie nutzen Ihre Fernbedienung? Legen Sie die schnell beiseite: Trägheit beim Menschen ist schließlich so etwas wie eine Krankheit, die ohne Behandlung zum Tode führen kann. Obwohl wir das irgendwie schon wussten, haben uns ein paar Wissenschaftler mit einer Studie in der medizinischen Zeitschrift The Lancet noch mal daran erinnert. Demnach sollen Faulheit und Bewegungsmangel genauso viele Todesfälle verursachen wie das Rauchen, von weltweit 5,3 Millionen Fällen jährlich ist da die Rede. Gutes Timing, meine Damen und Herren: Olympia vor Augen, Langstrecken-Asketen, athletische Hochspringer, grazile Turnerinnen, die der sportlichen Berufung menschlicher Körper sehr viel näher sind als der Durchschnittsbürger mit Schreibtisch, Couch und Chips.

Wir sollen, ja wir müssen uns also bewegen! Wer nicht mehr wie weiland Jäger und Sammler den ganzen Tag durch die Wildnis flitzt, möge sich der Gesundheit zuliebe wenigstens zweieinhalb Stunden pro Woche aufraffen, ein bisschen im Garten arbeiten oder spazieren gehen. Oder einen Abfalleimer mit Deckel anschaffen? Der verführt nicht zum Werfen, sondern zwingt zum Aufstehen. Zweieinhalb Stunden sind 150 min, jede Kleinigkeit zählt, vielleicht kann man auch hierbei ein paar Sekunden jagen und sammeln.
Warum nur drängt sich mir bei solcher Lektüre der Gedanke an Faultiere auf? Wenn die lesen könnten, wie wir uns anstrengen, sie würden sich mit ihren zwei oder drei Zehen erstaunt am Köpfchen kratzen. Wozu die Eile? Jemand hat diese possierlichen Tierchen mal sehr unhöflich, aber treffend als wandelnde Komposthaufen bezeichnet. Hier mal ein Blättchen zupfen, dann lange verdauen, viel schlafen – und bloß nicht bewegen. Allenfalls, um das Unvermeidliche zu tun und die Reste der Mahlzeit wieder loszuwerden. Das kommt glücklicherweise nur ein Mal pro Woche vor, aber ausgerechnet dazu legt das Tier wie unter Zwang den ganzen Weg vom Ast bis zum Boden zurück. Nun, vielleicht gibt es die optimale Anpassung eben doch noch nicht.
Solch minimalistische Strategie war in der Evolution aber durchaus erfolgreich, es gab Faultier-Arten, die so groß waren wie heutige Elefanten. Dass die ausgestorben sind, erwähnen wir hier nur am Rand, das stört den Gang der schönen Überlegungen.
Die Faultiere sind nämlich Säugetiere. Das heißt, sie und wir haben einen gemeinsamen Vorfahren. Irgendwo in unseren Genen könnte also die Veranlagung zu einem wahnsinnig effizienten, aber unglaublich ruhigen Leben schlummern. Machen wir was daraus! Zum Beispiel ein Experiment, mit zwei Gruppen. Die eine folgt den aus der bisherigen Evolution unserer Art wohlbegründeten Ratschlägen der Mediziner. Die andere behält die Fernbedingung, bleibt auf dem Sofa liegen und macht weiter wie bisher. Nur auf die Chips müsste man verzichten, die könnten die Entwicklung in die falsche Richtung lenken. Dann werden die Ärzte und Biologen in wenigen Millionen Jahren sehen, ob eine erneute Anpassung der menschlichen Art möglich ist. Das Fünf-Zehen-Faultier: Vielleicht ist das der Fortschritt, den die Welt zur Genesung braucht? Jetzt müssen Sie sich nur noch schnell entscheiden, in welcher Gruppe Sie mitmachen wollen…
Bewegt Euch!
Hier geht`s zum Abstract des Lancet-Artikels über das Laster der Trägheit
Das Faultier:
Mehr über Faultiere findet man natürlich in Wikipedia. Die folgende Geschichte aus Südamerika sei schon hier zitiert:
“Schon die Carajá-Indianer erzählten in einer Legende, dass einst eine Faultierfamilie in einer kalten Nacht gefroren hätte und beschloss, sich am Morgen Nester zu bauen. Der Morgen kam, die Tiere aalten sich in der Sonne, sie frühstückten und schliefen ein und vergaßen ihre Entscheidung. Es kam wieder eine kalte Nacht und die Faultierfamilie beschloss, am nächsten Morgen wirklich Nester zu bauen. Doch dann wiederholten sich die Geschehnisse immer wieder und bis heute bauen Faultiere keine Nester.”
Ein Herz für Faultiere
Haben Sie ein digitales Röntgengerät zu verschenken? Oder etwa ein Ultraschallgerät? Im Internet steht zu lesen, dass im einzigen Faultierheim der Welt – im Aviaros Sloth Sanctuary in Costa Rica – genau solche Geräte gebraucht werden. Im “ Slothpital” nämlich werden verletzte Faultier-Waisen behandelt und danach im Heim aufgepäppelt. Nur mangelt es bisher an der geeigneten Technik für die Versorgung und Erforschung der Tiere.
Video
Und für alle, die ihre Reflexe testen möchten: Wer beim Anblick von Faultier-Babies nicht dem Kindchen-Schema erliegt, dem ist nicht mehr zu helfen (bzw. dem wird angeraten, auf keinen Fall in die Fünf-Zehen-Gruppe des oben beschriebenen Experiments zu wechseln). Allen anderen sei der Speisesaal bei 28 s Laufzeit des Films empfohlen.
Video “Meet the Sloths”
Dem Faultierheim brachten solche Filme übrigens so viele Anfragen von freiwilligen Helfern und Spendern im Adopt-a-sloth-Programm, das es nun zu wenige Waisen, dafür aber eine Warteliste für willige Adoptiveltern gibt.
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