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Bis(s) zur Serienreife

Space Puzzle Molding: Prototypen-Fertigung für Aufbiss-Schiene
Bis(s) zur Serienreife

Das Ingenieurbüro Laich und der Kunststoffspezialist Protoform haben gemeinsam eine hydrostatische Aufbiss-Schiene zur Serienreife entwickelt. Die Prototypen für Patiententests wurden im Space-Puzzle-Molding-Verfahren hergestellt.

Soforthilfe und Heilung bei Kiefergelenkbeschwerden verspricht eine neu entwickelte hydrostatische CMD-Schiene aus Kunststoff. Der Erfinder des AquaSplints, der Erlanger Kieferorthopäde Dr. Aladin Sabbagh, beauftragte knapp ein Jahr vor der Markteinführung das Ingenieurbüro Laich mit der Umsetzung der Idee. Das im fränkischen Uttenreuth ansässige Ingenieurbüro hat sich auf die verarbeitungsgerechte Entwicklung anspruchsvoller Kunststoffprodukte spezialisiert.

Der ebenfalls im Bereich Medizintechnik aktive Fürther Kunststoffspezialist Protoform Konrad Hofmann GmbH war maßgeblich an der schnellen Realisierung beteiligt. Mittels Space Puzzle Molding (SPM) entstanden Vorserien-Teile, die für Patiententests eingesetzt wurden.
Hans Laich verbindet unterschiedliche Fertigungsverfahren und Materialien, um den Produkten die gewünschten optischen und mechanischen Eigenschaften zu verleihen. Belastungsgerechte Auslegung und Oberflächenveredlung spielen zusätzlich eine wichtige Rolle. „Die bei vielen Kunststoffen gegebene Biokompatibilität eröffnet neue medizintechnische Anwendungen“, sagt der Ingenieur. Im Falle des AquaSplints kombinierte Laich eine harte Komponente mit einer weichen. Innerhalb des Entwicklungsprozesses ließ er zuerst Prototypen im Stereolithographie-Verfahren herstellen. Anschließend wandte sich der Uttenreuther an Protoform.
In Fürth wurde die feste Komponente der Schiene hinsichtlich der Herstellbarkeit im Spritzgussverfahren optimiert. Nach weiteren Änderungen gab Laich schließlich das Serienwerkzeug in Auftrag. „Jeder Entwicklungsschritt hat seine Berechtigung“, sagt Wolfgang Tykvart, Leiter Marketing bei Protoform. Hans Laich stimmt dieser Aussage zu. „Mit Blick auf die Produktoptimierung war der Zwischenschritt über das Space- Puzzle-Molding-Verfahren sinnvoll“, sagt er.
Der Fürther Kunststoffspezialist Protoform Konrad Hofmann GmbH hat sich einen Namen gemacht im Bereich der Prototypen- und Kleinserienherstellung sowie der Produktoptimierung.
Im SPM-Verfahren entstanden auch die Trägerteile für die ersten, voll funktionsfähigen Aufbiss-Schienen, die von ihrem Erfinder Dr. Aladin Sabbagh für Patiententests eingesetzt wurden. Der Kieferorthopäde behandelt mit dem AquaSplint die meist schmerzhaft verlaufende Kiefergelenkserkrankung CMD (Craniomandibuläre Dysfunktion). Die Symptome dieser Krankheit reichen von starken Kopfschmerzen bis hin zu Hals-Wirbelsäulen-Schulterproblemen, die bis in die Fingerspitzen ausstrahlen können. Darüber hinaus treten häufig Schmerzen in Kiefermuskulatur oder -gelenken auf sowie Knacken der Kiefergelenke beim Öffnen oder Schließen des Mundes. CMD kommt bei etwa 10 % der Gesamtbevölkerung vor, rund 3 % der Bevölkerung werden wegen dieser Beschwerden als behandlungsbedürftig eingestuft. Dies kann durch verschiedene Formen von Schienen geschehen, von denen der hydrostatisch funktionierende AquaSplint sofort zur Entspannung der Kau- und Kopfmuskulatur sowie zur Entlastung der Kiefergelenke führt. Als eines der wichtigsten Ergebnisse der Patiententests wertet Hans Laich neben dem Beweis der therapeutischen Wirksamkeit die erwiesene Belastbarkeit. Material und Konstruktion wurden den mechanischen Anforderungen gerecht. „Die Schiene sollte Kräfte bis 200 kg aushalten, und das schafft sie, vier Wochen lang“, sagt Laich. Die Prototypen wurden, wie die Serie, aus dem Originalmaterial Polycarbonat im Spritzgussverfahren gefertigt. Polycarbonat fungiert als Trägerkomponente für die weichen, mit Flüssigkeit gefüllten Kissen. Das Material weist die erforderliche Steifigkeit und Stabilität auf für den medizintechnischen Verwendungszweck. Ein weiteres Kriterium war die Anforderung, Silikon auf die Unterseite des Trägers aufzubringen. Die weichbleibende Unterfütterung bildet die individuelle Zahnstruktur des Patienten als Negativ ab.
Mit der Fertigung der Prototypen bei Protoform verfolgte Hans Laich zusätzliche Ziele. Ihm ging es darum, die Herstellbarkeit im Serien-Spritzguss-Verfahren zu bestätigen und das Design fertigungsgerecht optimieren zu lassen. Problempunkte waren hierbei die Wandstärke, die Verbindungtechnik zwischen Flüssigkeitskissen und Schiene sowie eine Klemmvorrichtung. „Diese Klemmung und damit die Größe des Hinterschnitts ist ein winziges Detail der Schiene, das man zwar theoretisch auslegen kann. Aber was nach dem Abkühlen der Teile an Schwindung auftritt, ist nicht zu 100 Prozent vorhersehbar“, so Laich. Auch Wolfgang Tykvart sieht hier hinsichtlich der Machbarkeit bei der Serie ein wichtiges Kriterium. Das Bauteil war an dieser Stelle hinterschnittig. „Das heißt, an dieser Stelle ist keine einfache Entformung möglich. Die Gefahr besteht auch, dass das Teil beim Entformen deformiert wird“, erklärt Tykvart. Es zeigte sich bei der Anwendung, dass auf den Hinterschnitt in der Serie verzichtet werden konnte. Die Konstruktionsabteilung von Protoform optimiert die von Kunden entwickelten Bauteile hinsichtlich der spritzgießtechnischen Verarbeitung oder entwickelt nach Kundenwünschen Bauteile selbst im CAD. Aus den Daten werden die Formwerkzeuge generiert und nach der Umwandlung in CNC-Maschinenprogramme im hauseigenen Werkzeug- und Formenbau angefertigt. Dem hochautomatisierten Prozess des Formenbaus folgt der Spritzgießvorgang. Die mehrteilige Form wird von Hand oder mit Hilfe eines eigens für Protoform entwickelten Handling-Gerätes in den Formenträger eingesetzt. Laich: „Das Werkzeug ist deutlich günstiger als ein konventionelles Vorserienwerkzeug. Schon alleine durch die Erkenntnis, dass der Anguss von innen nach außen verlagert werden sollte, hat sich der Zwischenschritt über Protoform gelohnt.“
Die Herstellung der Prototypen im Spritzgussverfahren war ihm auch aus fertigungstechnischen Gründen wichtig. Erst anhand der von Protoform gefertigten Teile wurde festgelegt, wie das Flüssigkeitskissen auf der Trägerkomponente zu befestigen ist. Im Hause Laich liefen sowohl Versuche, Nietverbindungen herzustellen als auch das Kissen einzukleben. Zufrieden war man jedoch mit keinem der beiden Lösungsansätze. Daher ergänzte man die Konstruktion um ein unterhalb des Trägers liegendes Gegenstück, das aus dem weichen Material des Kissens besteht. Durch die im Träger vorhandenen Durchbrüche wird diese Folie an das Kissen geschweißt. Erst im Serienwerkzeug wurden Form und Lage der Durchbrüche dem Verfahren entsprechend angepasst. „In diesem Fall wurde nach dem Festlegen des endgültigen Designs kein Prototyp mehr gebaut. Das Bauteil ging also mit den Änderungen direkt in die Großserie“, bestätigt Tykvart.
Beate Ziehres Journalistin in Hixson/USA

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