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Bauteile aus einem Guss

Plasmaoberflächentechnik: Verbindet Kunststoff und Metall
Bauteile aus einem Guss

Komplizierte Fittings für den Einsatz in Herz-Lungen- Maschinen, in denen sich mit Polycarbonat umspritzte Metallinserts befinden, lassen sich durch den Einsatz von Atmosphärendruckplasma kostengünstig fertigen.

Werkzeuge werden schon lange mit Plasmatechnologie beschichtet, um deren Standzeiten zu erhöhen. Auch für Reinigungsprozesse kommt die Technologie zum Einsatz. „Die Energie eines Plasmastrahls ist generell hoch genug, um die Bindungsenergien von Molekülen zu brechen, so dass sie neue Verbindungen mit den Gasen in der Umgebung eingehen können“, erklärt Christian Buske, geschäftsführender Gesellschafter der Plasmatreat GmbH, Steinhagen. Denn durch Energiezufuhr ändern sich die Aggregatzustände: Aus fest wird flüssig, aus flüssig gasförmig. Wird einem Gas nun weitere Energie zugeführt, wird es ionisiert und geht in den Plasmazustand als erweiterten Aggregatzustand über. Diesen Prozess macht sich die industrielle Plasmaoberflächentechnologie zu nutze.

In der Regel finden die Plasmaverfahren heute im Vakuum statt. Dies hat den Nachteil, dass relativ teure Vakuumpumpen und -kammern erforderlich sind, die den notwendigen Niederdruck erzeugen und aufrechterhalten. Zudem lassen sich die Beschichtungskammern in der Regel nicht ohne weiteres in vorhandene Produktionslinien integrieren.
Beim Atmosphärendruckplasma hingegen ist die Inline-Integration der erforderlichen Düsen in neue und auch vorhandene Anlagen möglich. So hat Plasmatreat das so genannte Openair-Verfahren entwickelt, bei dem das Plasma mittels spezieller Düsen nur mit Luft oder gegebenenfalls einem Prozessgas sowie mit Hochspannung an die Materialoberfläche herangebracht wird. Das austretende Plasma steht je nach Düsengeometrie in einem Arbeitsbereich bis 25 mm Wirkbreite oder 40 mm Behandlungsabstand zur Verfügung.
„Der austretende Plasmastrahl ist elektrisch neutral. Dadurch erweitert und vereinfacht sich die Anwendbarkeit stark“, sagt Buske. Seine Intensität ist so hoch, dass Bearbeitungsgeschwindigkeiten von mehreren 100 m/min erreichbar sind.
Das System des Anbieters lässt sich somit in drei Bereichen einsetzen: Es aktiviert die Oberfläche durch gezielte Oxidationsprozesse, entlädt die Oberfläche gleichzeitig und bewirkt eine mikrofeine Reinigung. Durch den Zusatz eines Prozessgases bewirkt es zudem die Nanobeschichtung von Oberflächen.
Durch die Vorbehandlung mittels atmosphärischem Plasma wird so auch die Verbindung von im Prinzip inkompatiblen Materialien wie Metall und Kunststoff ermöglicht. Der Geschäftsbereich Kunststofftechnik der Gira Giersiepen GmbH & Co. KG, Radevormwald, beispielsweise nutzt für diesen Einsatzzweck eine kombinierte Spritzguss-Openair-Plasmatechnologie, um komplizierte Fittings für den Einsatz an Oxigenatoren kostengünstig und prozesssicher zu fertigen. Hierbei handelt es sich um Bauteile, die an den Oxigenator – ein wichtiger Bestandteil einer Herz-Lungen-Maschine – adaptiert werden. Innerhalb dieses Werkstücks befindet sich ein Metallinsert, das während einer Operation ständig die Bluttemperatur misst.
Zur Vermeidung einer externen Montage wird das Metallinsert als Einlegeteil in das Werkzeug gebracht und mit PC umspritzt.
„Die Vorbehandlung mit Atmosphärendruckplasma ist für uns das einzig mögliche Verfahren, mit dem die absolute Dichtheit der Verbindung zwischen Metall und Polycarbonat gewährleistet werden kann“, erklärt Dirk Brongkoll, Key-Account-Manager bei Gira im Geschäftsfeld Kunststofftechnik Medizin- und Pharmatechnik. „Der Einsatz haftungsmodifizierter Compounds oder einer zusätzlichen Haftvermittlerschicht wäre nicht wirtschaftlich und die Prozesssicherheit kaum zu validieren.“
Im Gira-Reinraum (Klasse 10 000) wird nicht nur 80 mal pro Stunde das gesamte Luftvolumen ausgetauscht, auch müssen zusätzliche Filter und Laminatflow-Module über dem Handling und Werkzeugbereich der von außen angebundenen Spritzgießmaschine eine gleich bleibende Luftqualität während der gesamten Fertigung garantieren. Daraus folgt das Bestreben, Anlagenkomponenten auf ein Minimum zu reduzieren. Diesem Wunsch entspricht, dass die Openair-Plasmadüsen inline in die Produktionslinie integriert wurden.
Für die Fertigung des an den Oxigenator anzuschließenden Bauteils werden bei Gira die Metallteile in einem Wendelförderer vereinzelt und mittels eines Handlingsystems von der Abholposition aufgenommen und in der Plasmabehandlungsstation abgelegt. Der getaktete Plasmastrahl aktiviert und reinigt die rotierenden Werkstücke vollflächig, bevor die Inserts mit dem Handling in das Werkzeug eingelegt und gleichzeitig die fertigen Bauteile aus der Kavität entnommen werden. Das Plasma wird hier als vollständige Inline-Lösung zur Reinigung und Aktivierung der Oberfläche genutzt. Das Einlegeteil wird weder in seiner Oberflächenstruktur noch in den technologischen Eigenschaften verändert.
Das Atmosphärenplasma arbeitet direkt an der Oberfläche und sorgt für die Benetzung der Schmelze mit der Metalloberfläche. Die organischen Verschmutzungen werden aboxidiert und dadurch die Oberflächenspannung auf > 72 mN/m erhöht. Durch die integrierte Prozessüberwachung wird eine sichere Durchführung dieses Prozessschrittes sichergestellt. Durch die Anwendung des Plasmaverfahrens ist Gira in der Lage, die hybriden Bauteile nicht aus mehreren Teilen, sondern als ein einziges Bauteil in der Spritzgießmaschine zu fertigen.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen

Materialkosten lassen sich einsparen
Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Kunststofftechnik der Uni Erlangen-Nürnberg, Neue Materialien Fürth und Krauss-Maffei arbeitet Plasmatreat seit einigen Jahren daran, die Kompatibilität verschiedener Hart-Weich-Materialien im Spritzgussprozess zu erhöhen. Die Ergebnisse: Kostengünstiges Polypropylen (PP) und thermoplastische Polyurethan-Elastomere (TPU) zum Beispiel fallen beim Spritzen nicht mehr auseinander, wenn man die PP-Oberfläche mit Plasma behandelt. „Bei vielen Anwendungen kann man so auf ABS-PC verzichten und spart etwa ein Drittel der Materialkosten“, sagt Plasmatreat-Geschäftsführer Christian Buske. Außerdem werden so mehrere Fertigungsschritte in einer Spritzgießmaschine abgewickelt. Das atmosphärische Plasma übernimmt die Aufgabe, einzelne Komponenten der Bauteile inline so zu reinigen und zu aktivieren, dass nicht nur ein sicherer Verbund gewährleistet wird, sondern auch die sonst erforderlichen zusätzlichen Montageschritte entfallen. Der Mehrkomponenten-Spritzguss ist ein Fertigungsverfahren, das die Kombination verschiedener Materialien miteinander in einem System ermöglicht. Das Ziel des Kombiverfahrens ist es, so viele Einzelteile wie möglich in einem Zyklus zu verbinden. Damit die verschiedenen Materialien und Teile präzise aneinander haften, werden sie mittels Plasma vorbehandelt.

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