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Babel Fish wäre keine Lösung

E-Health: IHE definiert Standards für den Datenaustausch im Gesundheitswesen
Babel Fish wäre keine Lösung

Legen Entwickler beim Programmieren ihrer Geräte die IHE-Integrationsprofile zu Grunde, verkürzen sich die Interoperabilitätstests. Bis ins Detail beschreiben die Profile, wie Daten zum Beispiel vom HL7-Standard in Dicom überführt werden können.

Hersteller medizintechnischer Produkte kommen am Thema E-Health, also der IT-Unterstützung medizinischer Prozesse, nicht mehr vorbei. Zu wichtig ist es, wirtschaftlich gesehen, die Patientensicherheit zu erhöhen, Fehler zu vermeiden, das Verlorengehen von Patientenakten zu verhindern und beispielsweise unnötige Doppeluntersuchungen zu verhindern. Kommunikation ist dafür unerlässlich, und sie muss reibungsloser laufen, als eine Übersetzung über die Internet-Software Babel Fish.

Um das zu erfüllen, müssen medizintechnische Produkte miteinander Daten austauschen können. Doch obwohl die gängigen Standards dafür praktisch allen Enwicklern bekannt und meist auch in den Geräten integriert seien, „klappt die Kommunikation oft längst nicht problemlos“, sagt Hans-Peter Bursig vom ZVEI-Fachverband Elektromedizinische Technik, Frankfurt am Main. „In der Praxis wurde oft bei einem anderen Produkt nach einem anderen Standard gearbeitet, oder sogar nach dem gleichen, aber in einer etwas anderen Version“ – so etwas habe er oft erlebt. „Dann funktioniert der Informationsaustausch nicht.“
Diese Kommunikationsprobleme sind der Grund für die Existenz der Initiative Integrating the Health Enterprise (IHE). Seit 1998 erarbeiten in dieser internationalen Initiative Anwender und Firmen gemeinsam Standards, die eine maximale Interoperabilität der IT-Systeme im Gesundheitswesen erreichen sollen. Dabei setzt IHE immer auf bestehenden und gut etablierten Standards und Normen im Gesundheitswesen auf.
„Ein relativ wichtiger Standard ist beispielsweise HL7“, erläutert Bursig. Dieser Standard decke relativ komplett Informationsmodelle im Gesundheitssystem ab. Die meisten großen Krankenhausinformationssysteme arbeiteten auf der Basis von HL7 (Health Level 7). Daneben gäbe es aber auch andere, anwendungsbezogene Standards, in der Radiologie etwa Digital Imaging and Communications in Medicine, kurz Dicom. „Wenn ein medizinischer Prozess es erfordert, dass Daten aus dem Krankenhausinformationssystem und einem HL7-Datensatz in ein Dicom-System überführt werden müssen, dann beschreibt IHE in einem so genannten Integrationsprofil: Welche Daten braucht das Dicom-System wirklich, wo müssen diese Informationen im Dicom-Datensatz stehen und wie bekommen wir die so von A nach B, dass die Information auch tatsächlich verstanden wird“, erläutert Bursig.
Die auf der Internetseite des IHE frei verfügbaren Integrationsprofile legen für verschiedene Anwendungsfälle genau fest, wie ein Standard in einem Produkt umgesetzt werden soll. Erfahrungsgemäß seien sie so leicht verständlich, so Bursig, „dass Entwickler dann auch genau wissen, was zu machen ist“. In über 200 Produkten seien bereits ein oder mehrere IHE-Profile umgesetzt worden.
Implementiere ein Unternehmen die IHE-Profile in seinen Produkten, so verkürze sich zwar nicht die eigentliche Entwicklungszeit, wohl aber die Phase der bisher sehr aufwendigen Interoperabilitätstests, die klassisch als bilaterale Tests zwischen Herstellern durchgeführt werden. War es nötig, ein Produkt wegen Kommunikationsproblemen an ein anderes anzupassen, so mussten alle bis dahin gelaufenen Tests wiederholt werden. „Statt mehrerer Monate reichen dafür jetzt schon mal ein paar Wochen“, erläutert Bursig, „da alles von vornherein besser aufeinander abgestimmt ist.“
Wer will, kann anschließend sein Produkt in einem so genannten Connectathon auf Herz und Nieren prüfen. Eine ganze Woche lang können Unternehmen bei diesen vom IHE organisierten Testveranstaltungen prüfen, ob der Informationsfluss in Echtzeit zwischen ihrem Produkt und denen anderer Hersteller tatsächlich funktioniert. „In Europa treffen sich durchschnittlich 70 bis 90 Unternehmen“, berichtet Bursig, davon stammten meist 20 bis 25 aus Deutschland, und es seien viele kleine und mittlere Unternehmen dabei. Beispiele sind die Würzburger Aycan Digitalsysteme GmbH, die Karlsruher Medavis GmbH, Visus Technology Transfer GmbH aus Bochum oder die Heidelberger Chili GmbH. Bei großen Treffen seien gleichzeitig bis zu 120 Produkte im Test, die untereinander geprüft werden, wo immer es relevant ist. Manchmal würden auch komplette Workflows überwacht.
Die Resultate werden in einer Datenbank veröffentlicht und dienen gleichzeitig als Marketinginstrument. „Kunden können diese Datenbank zum Beispiel auch nutzen, um herauszufinden, wen sie um ein Angebot für ein bestimmtes Produkt bitten können.“ Für eine Teilnahme am Connectathon sollten „Unternehmen jedoch eine Vorlaufzeit von einem Jahr einplanen“, rät Bursig. Es sei wichtig, sich zuerst gründlich mit den Dokumenten vertraut zu machen, da die Spezifikationen sehr in die Tiefe gingen. „Man muss dann doch sehr genau überprüfen, was bisher eigentlich programmiert wurde“, betont er, „und stellt dann vielleicht auch fest, dass man das Produkt nochmals ganz grundlegend überarbeiten muss“.
Im nächsten Schritt könne ein Entwickler die frei verfügbaren Mesa-Testtools des Vorjahres nutzen, um sein Produkt gegen einen Dummy zu testen. Erst, wenn das System relativ stabil liefe, würde ein Produkt überhaupt zu der Testveranstaltung zugelassen. Bei den Connectathons könnten zwar noch kleine Fehler ausgebessert werden, dabei handele es sich aber eher um Flüchtigkeitsfehler, etwa „ein vergessenes Häkchen“.
Für den Bereich der Krankenhäuser und Arztpraxen gibt es keine wirkliche Alternative zur IHE-Initiative, so Bursig. Am ehesten vergleichen könne man IHE mit der Continua-Health-Initiative für den Homecare-Bereich. Doch aufgrund der sehr unterschiedlichen Technologien und der zu übertragenden Datenmengen beschäftigten sich die beiden Bereiche mit sehr unterschiedlichen Fragestellungen.
    • Monika Corban Freie Journalistin in Liestal/Schweiz
    • Weitere Informationen In Deutschland war der ZVEI Gründungsmitglied des IHE (Integrating the Health Enterprise) Deutschland e.V., der auch die Geschäftsstelle des Vereins betreut. Unterstützt wird die Initiative unter anderem vom Verband der Hersteller von IT für das Gesundheitswesen e.V. (VHitG), Berlin, sowie der Deutschen Röntgengesellschaft e.V., Berlin.  www.ihe-europe.org

E-Health zählt
Der Europa-Gesundheitskonsumenten-Index (EHCI) vergleicht die Gesundheitssysteme in 31 europäischen Staaten und wird seit 2005 von der privaten Analyse- und Informationsgesellschaft Health Consumer Powerhouse, Brüssel, durchgeführt. 2005 und 2006 lag Deutschland noch auf Rang drei, belegte 2008 aber nur Platz sechs. Die schlechtere Bewertung des insgesamt guten deutschen Gesundheitswesens geht vor allem auf die neu eingeführte Kategorie E-Health zurück, bei der die Verbreitung elektronischer Patientendaten und die Nutzung web-basierter Lösungen für die Weitergabe medizinischer Informationen beurteilt wurden. Hier gaben die Experten Deutschland nur 50 Punkte – genau die Hälfte der möglichen 100 Punkte. Dabei zeigten sich die Analysten erstaunt darüber, dass die Einführung von E-Health nicht eine Frage des nationalen Wohlstandes sei.

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