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Alles social, oder was?

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Alles social, oder was?

Feiertage, Reisezeit, volle Autobahnen, Züge, Flugzeuge. Genau in dieser Zeit verkündete die niederländische Fluggesellschaft KLM, dass sie ab dem Jahresbeginn 2012 einen neuen Service anzubieten gedenkt. Schon der Name klingt sehr trendy: „social seating“. Nicht mehr der Zufall oder die Ankunftszeit am Flughafen bestimmen, wer neben mir sitzt. Nein, ein Computer wählt aus, wer zu mir passen könnte. Vorbei also die Zeit der Smalltalks über das Wetter oder andere Themen, über die man redet, während man schon über anderes nachdenkt. Nein, ab jetzt entscheiden meine persönlichen Vorlieben, die ich der Welt über Facebook oder Linkedin mitgeteilt habe, über den „richtigen“ Platznachbarn.

So eine Auswahl ist doch eine interessante Sache ( solange die Angelegenheit freiwillig bleibt und ich auch meine Ruhe haben darf). Das Konzept soll sowohl für private Reisen als auch beim dienstlichen Trip behilflich sein. Das bringt einen ja auf Ideen. Wie effizient wäre das denn? Schon morgens um halb sieben auf dem Inlandsflug werden bei einem Schluck Kaffee aus dem Pappbecher neue Kontakte geknüpft. Zur Rechten der mögliche neue Kunde, zur Linken der mögliche neue Lieferant, da steckt doch das Blanko-Vertragsformular am besten ab sofort in jeder Aktentasche.
Wenn der Chef davon Wind bekommt, könnten zwar ein paar Änderungen am Social Media Account erforderlich werden. Schließlich kann man meine Einträge bestimmt ohne große Umstände so optimieren, dass sie beim social seating zu möglichst vielen Vorschlägen führen, die den Erfolg der Firma mehren. Und vielleicht wählen wir schon bald die Flieger danach aus, welche Passagiere noch so an Bord sind. Der Begriff des Handlungsreisenden bekäme schnell eine neue Bedeutung – sogar ein ganz neues Berufsbild wäre denkbar. Ich fliege einfach immer, wenn sich dabei interessante Kontakte ergeben könnten.
Auch der persönlichen Fortbildung könnte das System dienlich sein. Wenn ich nach den ersten zehn Reisen genug davon habe, mich mit meinen Nachbarn über die drei Themen zu unterhalten, die ich im Web 2.0 als Interessen angegeben habe, möchte ich vielleicht mal was Neues hören. Was wissen Sie eigentlich über, sagen wir Sumo-Ringen und seine Rolle in der japanischen Kultur? Das würde ich dann als nächstes eintragen, mal sehen, was mir meine Mitreisenden alles erzählen können.
Das ganze Social-Zeugs regt also die Kreativität an! Und mit dem Social Seating ist es beileibe nicht getan. Haben Sie mal probiert, was heute alles Social ist? Social Reading, Social Swimming, Social Sleeping (?!?), ja sogar Social Dreaming bringt einem Treffer in einschlägigen Suchmaschinen (wer‘s genauer wissen möchte: Linkliste steht am Ende).
Social dies, social das – die Bedeutung der sozialen Kontakte kann gar nicht überbewertet werden. Das allerdings ist keine neue und auch keine menschliche Erfindung, sondern hat sich im Lauf der Evolution etabliert. Die Pferde knabbern sich gegenseitig an der Mähne, die Hyazinth-Aras kraulen sich mit dem Schnabel am Hinterkopf, und unsere nähere Verwandtschaft unter den Affen praktiziert im Dienste der Bindung das gegenseitige Lausen. Der Fachbegriff für diese traditionsreichen Aktivitäten klingt unglaublich modern: social grooming. Funktioniert aber im engeren Sinne ausschließlich offline.
Social und kein Ende:
Was ist eigentlich Social Dreaming?
Teile Deine Träume mit der Welt, damit diese versteht, welche Probleme die Gesellschaft hat.
Social Sleeping: Bloß nichts verpassen
Social Swimming: Es gibt einen Social swimming Club auf Facebook.
Wissenschaftliches zur sozialen Kontaktpflege in der Natur bietet die englische Wikipedia-Seite.
Ein Buch zum Thema:
Klatsch und Tratsch. Wie der Mensch zur Sprache fand, von Robin Dunbar (1998)
Ein Brückenschlag zwischen den Primaten mit Ganzkörperbehaarung und denen am Computerbildschirm ist das wissenschaftliche Fachbuch „Klatsch und Tratsch“ von Robin Dunbar. Seinen Untersuchungen zu Folge stärkt das Kraulen natürlich die soziale Bindung. Sprache übernahm diese Funktion, als das Gekraule in größeren Gruppen irgendwann zu zeitaufwendig wurde. Glaubt man dem Autor, fällt auch heute mehr als die Hälfte der Unterhaltungen im Alltag in die Rubrik Klatsch und Tratsch – und verbindet so die Mitglieder einer Gruppe. Ob man sich dann im wirklichen Leben unterhält oder am Forum teilnimmt, macht anscheinend keinen großen Unterschied.
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