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Auch ein Acrylklebstoff für Physiotapes müssen nicht riechen

Klebtechnik
Auch Acrylklebstoffe für Physiotapes müssen nicht riechen

Auch Acrylklebstoffe für Physiotapes müssen nicht riechen
Forschern stehen in Freising zahlreiche Analysegeräte wie die Gaschromatographie zur Verfügung, um die Verursacher von störenden Gerüchen in Acrylklebstoffen aufzuspüren Bild: Fraunhofer IVV
Klebtechnik | In umfangreichen Analysen ließen sich Substanzen identifizieren, die für die störenden Gerüche von Klebstoffen verantwortlich sind. Dieses Wissen gibt Herstellern die Möglichkeit, den Produktionsprozess zu optimieren. Ein Beispiel sind Acrylklebstoffe für Physiotapes.

Kaum ein modernes Produkt kommt ohne Klebstoff aus – der Werkstoff findet sich beispielsweise in Windschutzscheiben, Handydisplays, Schuhen, Teppichen, Pflastern oder Physiotapes. Dass Klebstoffe unangenehm riechen, wird allgemein als selbstverständlich hingenommen. Die Verursacher können Lösungsmittel sein. Aber auch lösungsmittelfreie Produkte oder solche mit geringen Gehalten an Lösungsmitteln können einen scharfen und intensiven Geruch verströmen.

Darüber, welche Substanzen für die Ausdünstungen verantwortlich sind und wie sie auf den menschlichen Organismus wirken, ist bislang wenig bekannt. Dieser Problematik widmet sich die Abteilung Analytische Sensorik am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising. Prof. Dr. Andrea Büttner und ihr Team haben dort unter anderem vier lösungsmittelfreie Acrylklebstoffe untersucht, um herauszufinden, welche Komponenten die störenden Gerüche auslösen. Ihre Ergebnisse haben die Forscher im International Journal of Adhesion and Adhesives veröffentlicht.

Bei ihren Analysen wurden 27 Geruchsstoffe identifiziert, die die Fehlgerüche verursachen, darunter Methylmethacrylat, Acetophenon, 1-Butanol, 4-Methylphenol, Phenylessigsäuremethylester und Essigsäure. 20 Substanzen wurden erstmals als geruchsaktive Bestandteile von Klebstoffen entdeckt, wie beispielsweise die chemische Verbindung Borneol.

Starker Geruch kann Hinweis auf schädliche Substanzen sein

Ebenso variantenreich wie die nachgewiesenen Geruchsstoffe waren die Geruchseindrücke, die von stechend, fruchtig, lederartig, rauchig bis schimmelig reichen. „Wenn Produkte besonders stark riechen, kann das darauf hinweisen, dass bedenkliche Substanzen enthalten sind“, sagt Prof. Büttner. Einige der Proben enthielten phenolische Verbindungen, die im Verdacht stehen, erbgutverändernd zu sein.

Die Wissenschaftlerin sieht einen deutlichen Handlungsbedarf, die Produktentwicklung von Klebstoffen zu optimieren: „Unsere Analysen zeigen, dass eine Reihe der gefundenen Substanzen eliminiert werden müssten – nicht nur im Hinblick auf die Geruchsbelästigung.“ Die starken Gerüche könnten durchaus Kopfschmerzen und Schwindel hervorrufen. „Man sollte es in Frage stellen, dass ein Kleber riecht.“ Hier müsste sich das Bewusstsein sowohl auf Anwender- als auch auf Herstellerseite ändern.

Lösungen, um die Inhaltsstoffe der Klebstoffe zu verbessern

Die Fraunhofer-Wissenschaftler bieten Herstellern nun Lösungen an und zielgerichtete Strategien, um Klebstoffe ebenso wie andere Non-Food-Produkte des täglichen Bedarfs – dazu gehören unter anderem Lacke, Bindemittel, Möbel, Weichmacher, Reinigungsmittel und Kunststoffe – im Hinblick auf die enthaltenen Geruchsstoffe zu verbessern. „Wir haben uns die Aufgabe gestellt, die Hersteller bei der Produktentwicklung zu unterstützen. Denn diese können die verursachenden Komponenten mit ihren eigenen Methoden oft nicht kennen, hier ist eine Spezialanalytik erforderlich ebenso wie geschulte Probanden, um die Auslöser und eventuelle Verunreinigungen sowie beim Herstellungsprozess entstehende Nebenstoffe aufzuspüren“, betont die Lebensmittelchemikerin. Mit ihren Forschungsergebnissen legen die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen darüber hinaus die Basis zur physiologischen und toxikologischen Bewertung der störenden Substanzen.

Für ihre Analysen setzen die Forscher auf verschiedene Methoden und Geräte wie etwa die Gaschromatographie und die Massenspektrometrie ein. Damit ermitteln sie, welche Mengen bei normalem Gebrauch freigesetzt werden. Zwischen geruchsaktiven und -inaktiven Substanzen können maschinelle Detektoren aber nicht sehr gut unterscheiden, die menschliche Nase ist hier bislang unersetzbar. Daher stehen sensorische Tests am Anfang der Untersuchungen.

Geschulte Testpersonen erhalten dafür Proben in geruchsneutralen Glasgefäßen. Ein Sensorik-Panel legt für jede Probe charakteristische Geruchsattribute fest, die es in einer zweiten Sensorik-Session auf einer vorgegebenen Skala im Vergleich zu Referenzverbindungen bewertet. Die Gesamtintensität und das persönliche Ge- oder Missfallen eines Geruchseindrucks werden evaluiert, die Mittelwerte der Bewertungen zu einem Geruchsprofil zusammengefasst.

Experte in Sachen Klebstoffe ist Philipp Denk, ein Kollege von Prof. Büttner. Der Freisinger Forscher untersucht klebende Komponenten aller Art, etwa in Lebensmittelverpackungen sowie im medizinischen Bereich, und fokussiert sich aktuell auf die Gruppe der Acrylklebstoffe. Sein nächstes Analyseobjekt sind Physiotapes, die teilweise ebenfalls geruchsintensive Klebstoffe enthalten.

Neue Technologien, um die
Komponenten zu testen

„Durch den globalisierten Markt und den stetig wachsenden Internethandel sind die amtlichen Prüfbehörden überfordert und nicht mehr in der Lage, die Fülle der Produkte auf störende oder bedenkliche Komponenten zu untersuchen. Wir werden daher neue Technologien entwickeln, um Produkte dezentral im Hinblick auf bedenkliche Komponenten testen zu können.“ (op)


Weitere Informationen

Über das Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising:

www.ivv.fraunhofer.de

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