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Schruppen senkt die Fertigungskosten chirurgischer Implantate

Frästechnik
Schruppverfahren senkt die Fertigungskosten

Schruppen | Beim Fertigen der Gesenke für die Herstellung chirurgischer Instrumente und Implantate setzt der Hersteller Aesculap meist auf die Hartfräs-Technologie. Eine neue Lösung von Hufschmied Zerspanungssysteme spart Zeit und Produktionskosten.

Ralph R. Hufschmied
Hufschmied Zerspanungssysteme, Bobingen

Als Sparte der B. Braun Melsungen AG ist Aesculap seit 150 Jahren Experte für alle Bereiche der chirurgischen, orthopädischen und interventionellen Patientenversorgung. Die Herstellung ist hohem internationalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt, dem nur durch Innovation und Kostensenkung zu widerstehen ist. Die medizinischen Produkte werden großteils in Gesenken gefertigt, die der Formenbau herstellt. Hierbei ist das Hartfräsen ein maßgeblicher Kostenfaktor.

Ein renommierter japanischer Hersteller von Fräswerkzeugen setzte bislang die Bestmarke. Aesculap war der Auffassung, dass Kostensenkungspotenzial bestünde und definierte wie folgt einen produktionsrelevanten Benchmarktest: Fräsen eines Gesenks zur Herstellung von Hüftgelenken aus dem Material 1.2343 56HRC. Die zu erreichende Oberflächenqualität, das 5-Achs-Fräszentrum, das CAM-System sowie Standards für Arbeitsgeschwindigkeit und Prozesssicherheit wurden ebenfalls vorgegeben. Hufschmied Zerspanungssysteme nahm die Herausforderung an und erarbeitete eine Lösung, die die Anforderungen von Aesculap erfüllte.

Lösungsstrategie entscheidet über den Erfolg

Ein langjährig erfahrener Entwickler und Hersteller wie Hufschmied Zerspanungssysteme setzt bei den Fräswerkzeugen an. Aber für Christian Bothmann, beim Werkzeughersteller Teamverantwortlicher für das Projekt, war klar, dass die ambitionierten Vorgaben nicht nur mit den Fräsern erreicht werden konnten: „Wir mussten ein ganzheitliches Optimierungskonzept entwickeln.“ Und Andreas Frank, ebenfalls in der Projektleitung, ergänzt: „Bearbeitungsgeschwindigkeit und Bearbeitungszeit sind strategisch richtungsweisend, die Produktionskosten hingegen das entscheidende Summenergebnis – das nahmen wir als Zielgröße in den Blick.“

Auf Basis des daraufhin angelegten Lösungskonzepts und der daraus resultierenden Bearbeitungsfolge wurden die Werkzeuge bestimmt. Hufschmied kann auf eine große Palette hochproduktiver Fräser zugreifen, musste im vorliegenden Fall jedoch Neuland betreten. War es noch relativ einfach, bezogen auf die Kontur die geeignetsten Werkzeugdurchmesser festzulegen, erforderte das Geometriedesign mehrmonatige Entwicklungsarbeit, bis das Optimum erreicht war: fürs Schruppen ein Hochvorschubfräser mit sechs Schneiden, darauf abgestimmten Radiusübergängen sowie einer speziellen Beschichtungstechnologie. Dieses Design ermöglicht es, auch harte Stähle mit 30 bis 40 % höherer Zustellung bei 20 %
höheren Vorschüben zu bearbeiten.

Bilanziert man das Schruppen, wird das Lösungsprofil von Hufschmied erkennbar. Bezogen auf den Benchmark von Aesculap heißt dies hinsichtlich der maßgebenden Bewertungsparameter: Mit der Neuentwicklung wird die Bearbeitungszeit um 50 % gesenkt. Der Effekt ist in mehrfacher Hinsicht beachtlich, denn damit verringern sich auch die Arbeitsplatzkosten pro Gesenk um 50 %. Doch für den Anwender Aesculap ist letztendlich entscheidend, ob damit die Produktionskosten zu senken sind.

Um das festzustellen, müssen neben den Arbeitsplatzkosten auch die Werkzeugkosten beurteilt werden. Hierbei zeigt sich: Der kalkulatorisch höher angesetzte Preis für das Werkzeug von Hufschmied schlägt zwar zu Buche, aber nicht derart, dass ihn der Produktivitätsvorteil nicht kompensieren könnte. Zugute kommt dem Fräser von Hufschmied außerdem, dass er trotz doppelter Zerspanungsleistung keinen Standzeitnachteil gegenüber der japanischen Lösung aufweist.

80 % weniger Bearbeitungszeit ohne Qualitätseinbußen

Die Qualität der Fräser von Hufschmied zeigt sich nicht nur in der Schneidleistung, die beim Schlichten der beim Schruppen in nichts nachsteht. Dem Engineering-Team gelang es auch, die Bearbeitungszeit bei einer Schlichtroutine durch Eingriff in die CAM-Programmierung um 80 % zu verkürzen. Dadurch verringerten sich die Produktionskosten bei diesem Bearbeitungsvorgang gegenüber dem Aesculap-Benchmark um fast 60 % – ohne Qualitätseinbußen. Das fertig produzierte Gesenk weist eine Oberflächengüte von Ra=0,2 auf und erfüllt damit die Anforderung.

Auch dieses für Aesculap vorteilhafte Ergebnis beruht auf einer systematischen Lösungsfindung. Bei der Herstellung einer Werkzeugform entfallen etwa 60 bis 75 % der Bearbeitungszeit auf das Schlichten. Mit Blick darauf ist klar, dass Hufschmied insbesondere hier kostensenkendes Optimierungspotenzial sah und mit speziellen Kugelfräsergeometrien fürs Schlichten experimentierte. Um die geforderten Oberflächengüten prozesssicher zu erreichen, mussten mehrere Bearbeitungsstrategien in die Lösung einbezogen werden. So reduziert der Einsatz von Torusfräsern zwar die Laufwege und damit die Bearbeitungszeit bei flachen Konturen, bewirkt aber bei steileren durch die kleineren Eckradien im Vergleich mit Kugelfräsern das Gegenteil.

Durch die Kombination der Geometrien eines Torus und eines Kugelfräsers entstand ein Werkzeug mit einzigartiger Spitzengeometrie. Es reduziert die Laufzeit auf der gesamten Form beim Schlichten um rund 45 %. Ein Werkzeugwechsel ist dabei nicht erforderlich. Um den hohen Produktivitäts- und Kostenvorteil dieses Werkzeugs zu realisieren, musste das Engineering-Team von Hufschmied jedoch die CAM-Strategie im von Aesculap eingesetzten CAD-/CAM-System anpassen beziehungsweise für generelle Anpassbarkeit modifizieren.

Es stellte dabei fest, dass mit konventionell ausgelegten Kugelfräsern Bahnabstände von 0,04 mm erforderlich sind, um die Oberflächengüte zu erreichen. Das heißt auf die konkrete Anwendung bezogen: Laufwege von mehreren hundert Metern. Die neu entwickelten Fräser ließen deutlich größere Bahnabstände zu und verkürzen damit die Laufwege erheblich. Angesichts der enormen Reduzierung von Bearbeitungszeit und Produktionskosten fällt der erhöhte Aufwand für die Programmierung von Ein- und Ausstiegsflächen kaum ins Gewicht.

Know-how und Erfahrung setzen neue Benchmark

Das vorgestellte Fallbeispiel hat in der Summe zu einer prozentualen Reduzierung der Produktionskosten für das Gesenk im unteren zweistelligen Bereich geführt. Bei anderen Aufgabenstellungen sind andere Ergebnisse zu erwarten. Dennoch kann es als exemplarisch dafür gelten, wie Produktivitätsgewinne und Kostenvorteile beim Fräsen in der APraxis zu erzielen sind. Basis ist eine fundierte Bearbeitungserfahrung, die gleichermaßen Material, Maschinen und Methoden einschließt. Hinzu kommt das Know-how, Werkzeuge lösungsorientiert gestalten zu können. Und last, not least ist die Fähigkeit unverzichtbar, prozessbezogen die Stellschrauben zu erkennen, mit denen sich in der Matrix gestaltbarer Parameter das wirtschaftliche Optimum realisieren lässt. Dem Engineering von Hufschmied ist das im vorliegenden Fall gelungen.

www.hufschmied.net

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