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Resistente Keime: Indikator zeigt, wo der Spitalkäfer noch gedeihen kann

Werkstoffe
Indikator zeigt, wo der Spitalkäfer noch gedeihen kann

Hygiene | Wo muss noch etwas desinfiziert werden? Diese Information soll ein Indikator liefern, der auf Flächen aufgetragen oder Kunststoffen beigemischt werden kann. Ein Farbumschlag zeigt, wo Handlungsbedarf besteht – auch im Kampf gegen resistente Keime, die in der Schweiz als „Spitalkäfer“ bezeichnet werden.

Um Keime in Schach zu halten, ist gründliche Desinfektion unerlässlich. Eine Möglichkeit, Mitarbeitern im Gesundheitsbereich oder auch in der Industrie zu zeigen, wo noch Desinfektionsbedarf besteht, hat ein interdisziplinäres Team entwickelt und seine Entwicklung 4DC genannt – For Desinfection Control. Eine Flüssigkeit mit Farbindikator wird hierfür auf eine Fläche aufgetragen. Lässt dort die Wirkung der Desinfektion nach, verfärbt sich die bestrichene Fläche. So lässt sich erkennen, wo sich eventuell noch Erreger befinden können und eine erneute Behandlung ansteht.

Lars Rominger, Geschäftsführer der Rominger Kunststofftechnik GmbH aus Edlibach in der Schweiz, fiel auf, dass der Nachweis der Sauberkeit von Reinräumen in der Kunststoffindustrie nur mit viel Aufwand zu erbringen ist. „Die Überprüfung ist abhängig von der Klassifizierung. Oftmals erfolgt eine Partikelmessung in der Raumluft, oder es werden Abklatschtests durchgeführt.“ Dies sei eine einfache Methode, sie dauere jedoch zu lange.
Nach Auskunft der Mikrobiologin und Mit-Entwicklerin Dr. Nadja Bänziger, die als freie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Rominger für Fragen der Hygiene und Mikrobiologie zuständig ist, sollte das neue System möglichst einfach zu nutzen sein – vergleichbar mit einer Tablette zum Nachweis von Zahnbelag. „Damit war das 4DC-Projekt geboren.“
Der Chemiker Dr. Vladimir Purghart von der Purghart Analytics GmbH im Teufen, Schweiz, berät die Rominger Kunststofftechnik GmbH als freier wissenschaftlicher Mitarbeiter und war als dritter Experte an der Entwicklung beteiligt. Er hat verschiedene Stoffe vorgeschlagen, die als Indikator wirken sollten. Bei der Auswahl ging er von der späteren Verwendung aus. „Als Desinfektionsmittel werden häufig Ethanol oder Isopropanol eingesetzt. Anhand von Reaktionen mit diesen Substanzen sollte man also nachweisen können, wo desinfiziert wurde und wo nicht.“
Indikator sollte ohne Bedenken einsetzbar sein
Verbindungen, die mit Alkoholen einen Farbumschlag ergeben, sind gar nicht so selten. „Die meisten sind jedoch toxisch oder brauchen für die Reaktion mit Ethanol Zusatzstoffe und Katalysatoren, die bedenklich sind“, sagt Purghart. Die Mischung von Inhaltsstoffen, die die Entwickler nun für 4DC einsetzen, sei aber in der angewandten Menge und Form unbedenklich.
Das bisher verfügbare System reagiert auf alle Alkohole und zeigt an, ob noch wirksames Desinfektionsmittel vorhanden ist. „Die Ausgangsfarbe für unbehandelte Bereiche ist beispielsweise Grün“, erläutert die Mikrobiologin Bänziger. Beim Kontakt mit Desinfektionsmittel wechselt der Indikator durch chemische Veränderung etwa zu Blau. Nach einer Weile verflüchtige sich das Desinfektionsmittel. „Der Indikator wird dann wieder grün. So ist auf einen Blick zu erkennen, wo erneut desinfiziert werden muss.“
Die ersten Tests wurden mit Batches durchgeführt, die auf einen Handschuh oder eine Fläche aufgeklebt wurden und nur einen einzigen Farbumschlag ermöglichten. „Mittlerweile“, sagt Rominger, „arbeiten wir an einem reversiblen System, dass immer wieder reagiert.“ Auch kam schnell die Rückmeldung von potenziellen Anwendern, dass ein aufgeklebter Indikator nicht ideal sei. Das Prinzip funktioniert nach Auskunft des Teams aber auch, wenn der Indikator zum Beispiel auf Handschuhe direkt aufgebracht wird. Anpassbar sind auch die Farbumschläge – andere Kombinationen als ein Wechsel zwischen grün und blau seien möglich.
Nun sucht Rominger Kunststofftechnik Investoren oder Patent-Lizenznehmer, die die Idee, angepasst an ihre Produkte, verwirklichen. Bänziger: „Wir denken an Hersteller von Desinfektionsmitteln, Reinraumhandschuhen oder an Chemiekonzerne. Gefragt sind Unternehmen, die Produkte oder Leistungen zu Sauberkeit und Hygiene anbieten.“ (op) ■

Die Verursacher des Problems
Seit den achtziger Jahren ist die Rede davon, dass multiresistente Keime der Art Staphylococcus aureus, kurz als „MRSA“ bezeichnet, in medizinischen Einrichtungen überall auf der Welt zu Problemen führen. Keime aus der Staphylokokken-Verwandtschaft kommen überall auf der Haut von Gesunden vor. Schaden richten sie an, wenn sie durch kleine Wunden ins Körperinnere eindringen und das geschwächte Immunsystem eines Kranken nicht angemessen reagieren kann. Inzwischen wurden weitere multirestente Keime entdeckt, die zur Gruppe der Extended-Spectrum-Beta-Lactamase (ESBL) gerechnet werden. Dazu zählen Kolibakterien und Klebsiella pneumoniae, die beide zur Darmflora gehören. Gelangen sie in den Harn- oder Atemweg, lösen sie Infektionen aus.
Da diese Erreger gegen eine Reihe von Antibiotika – Penizilline, Cephalosporine und deren Abkömmlinge – unempfindlich sind, lassen sie sich nur noch durch per Injektion verabreichte Carbapenem-Antibiotika in der Entwicklung zurückdrängen.
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