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Digitale Prozessketten optimieren die Fertigung - Digitalisierung

Digitalisierung
Digitale Prozessketten optimieren die Fertigung

Digitale Prozessketten optimieren die Fertigung
Kleine und mittelständische Unternehmen können sich mit intelligenten, digitalen Lösungen zu Systemlieferanten entwickeln. Chancen bieten sich auch für einzelne Spezialisten, die auf einer digitalen Fertigungsplattform kooperieren Bild: Fotolia/pgottschalk
Die Produktion von Medizintechnik ändert sich in Zeiten der digitalen Medizin grundlegend. Digitale Prozessketten erlauben eine patientenindividuelle Fertigung – mit großen Chancen speziell für kleine und mittlere Unternehmen.

Digitale Plattformen bilden analoge Versorgungsprozesse nicht eins zu eins ab. Oft müssen die einzelnen Prozessschritte völlig neu durchdacht werden. So werden durch die Digitalisierung auch bei der Herstellung von Prothesen und Implantaten neue Produktions- und Vertriebsmodelle möglich, die bisher undenkbar waren. „Beim klassischen Prozess wählt ein Chirurg bei einem Kniegelenksersatz aus einem Set vorab hergestellter Prothesen unterschiedlicher Größe das jeweils am besten passende Modell aus“, sagt Prof. Eckart Uhlmann, Direktor des in Berlin ansässigen Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK).

In Zukunft könnte das deutlich anders laufen: Mit Hilfe der CT- oder MRT-Bildgebung wird die Gelenkanatomie erfasst. Diese Daten werden nach entsprechender Umwandlung direkt in ein CAD-System eingespeist, das die individuelle Prothese entwirft. Dieser „Bauplan“ wird dann im passenden Datenformat an eine Produktionseinheit übermittelt, die im Extremfall direkt vor Ort im Krankenhaus das individuelle Implantat mit Hilfe von Lasertechnologien aus Metallstäuben additiv produziert.
Digitale Prozessketten in der Implantatfertigung
„So weit sind wir noch nicht. Sowohl zwischen Bildgebung und CAD-System als auch zwischen CAD-System und Produktion klaffen in der Prozesskette noch Lücken. Aber der Trend geht klar in diese Richtung“, so Prof. Uhlmann. In Kooperation mit der Charité Berlin arbeitet das IPK an dieser Zukunft: Gemeinsam wurde das Berliner Zentrum für Mechatronische Medizintechnik gegründet, das sich nicht zuletzt der Etablierung digitaler Prozessketten in der Implantatefertigung verschrieben hat.
Ein Beispiel für eine schon recht weit umgesetzte digitale Prozesskette kommt aus der prothetischen Versorgung in der Zahnheilkunde. Hier werden Metall und Kunststoff zunehmend durch ästhetische Materialienwie Keramiken ersetzt, die extrem hart sind und nach Einbau praktisch keinerlei Abrasion unterliegen. „Deswegen müssen moderne Zahnprothesen viel besser sitzen als ältere Prothesen, die sich im Mund von selbst noch etwas anpassten“, betont Dr. Dr. Stephan Weihe, Geschäftsführer der DDI-Group, die sich die Einführung patientenindividueller Prothesen und Implantate auf die Fahnen geschrieben hat.
Bei der klassischen Dentalprothetik werden Prothesen vom Zahntechniker mit einem Artikulator anhand einiger weniger vom Zahnarzt übermittelter Parameter handwerklich hergestellt. Auch computergestützt können Design und Fertigung erfolgen, jedoch anhand derselben ungenauen Parameter. Die DDI Group hat mit dem Freecorder BlueFox ein optoelektronisches Messverfahren entwickelt, das die Kieferbewegungen und –positionen eines Patienten mit Hilfe von Kameras exakt und völlig berührungslos ausmisst. „Das erlaubt auch die Erfassung von Parametern wie der kinematischen Achse und der Gelenkbahnneigung und damit eine viel präzisere Produktion“, so Weihe.
Messdaten werden digital eingespeist und verarbeitet
Wenn beim Zahntechniker entsprechende Systeme zur Verfügung stehen, können die Messdaten direkt digital in das CAD- beziehungsweise CAM-System für das computergestützte Design oder Manufacturing der Prothese eingespeist werden. „Letztlich kommen die Vorteile der digitalen Fertigung durch die patientenindividuelle Ausmessung des Kiefers überhaupt erst richtig zum Tragen“, sagt Weihe. Es profitiert aber nicht nur der Patient, der schneller eine besser sitzende Brücke oder Krone erhält. Auch der Zahntechniker hat einen Nutzen: „Die Zahl der Neuanfertigungen, auf deren Kosten der Zahntechniker üblicherweise sitzenbleibt, sinkt um 80 Prozent.“
Wer derartige Produkt- und Prozessinnovationen erfolgreich platzieren möchte, muss als allererstes den Markt kennen. Und da gilt es, genau hinzusehen. „Im Dentalmarkt gibt es in den meisten Ländern kaum Direktvertrieb. Deswegen kooperieren wir beispielsweise in Deutschland mit den Marktführern im Dentalfachhandel“, erläutert Weihe. Ganz anders sieht die Situation dagegen bei Implantaten der Schädelkalotte aus, einem weiteren Produktfeld der DDI-Group. Hier steht der klassische Direktvertrieb an den neurochirurgischen Kliniken im Vordergrund, da eine direkte Kooperation mit dem behandelnden Neurochirurgen erforderlich ist.
Vor allem mittelständische Unternehmen profitieren
Fraunhofer-Direktor Uhlmann sieht in dem Wandel hin zu individualisierten Fertigungsketten große Chancen insbesondere für mittelständische Unternehmen: „Die Geschäftsmodelle werden sich dadurch ändern. Kleine und mittelständische Unternehmen können sich mit intelligenten Lösungen zu Systemlieferanten aufschwingen. Große Chancen sehe ich auch für einzelne Spezialisten, die auf einer digitalen Fertigungsplattform kooperieren, Stichwort Industrie 4.0.“ Spezialisten für das computerbasierte Implantatdesighn (CAD) könnten sich auf diese Weise mit Spezialisten für additive Fertigungstechnologien zusammen tun. Am Ende könnten aus traditionellen Herstellern Nutzenerzeuger werden, die nicht Produkte, sondern Systeme oder Prozessschritte verkaufen. ■
Weitere Informationen: wwww.medizintechnologie.de
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