Lockert sich eine Gelenkprothese zu früh, ist meist eine chronische Infektion die Ursache. Doch nicht Bakterien, sondern die Immunzellen fördern den Knochenabbau am Implantat, zeigen nun Forscher – und wollen daraus eine Therapie entwickeln.
In Deutschland erhalten etwa 330 000 Patienten jährlich ein künstliches Gelenk, eine so genannte Endoprothese, meist in Hüfte oder Knie. Kunstgelenke sind aber derzeit noch längst nicht so haltbar wie das natürliche Original: Nach durchschnittlich 15 bis 20 Jahren muss die Prothese wegen Lockerung und Verschleiß ausgetauscht werden. Doch etwa 1 bis 2 % der Gelenkprothesen lockern sich deutlich früher, häufig hervorgerufen von einer hartnäckigen bakteriellen Infektion. Die an sich harmlose Bakterien gelangen bei der Implantation von der Haut des Patienten in die Operationswunde und siedeln sich auf der Oberfläche der Prothese an. Aber auch Abriebpartikel des Kunstgelenks stehen im Verdacht, eine Entzündung des umliegenden Gewebes hervorzurufen. Beides lässt sich derzeit nur schwer in den Griff bekommen, neben einer Behandlung mit Antibiotika bleibt in der Regel nur der Austausch der Prothese.
Die Orthopädin Dr. Ulrike Dapunt entdeckte in ihren Forschungsprojekten, dass nicht die Aktivität der Bakterien oder deren Absonderungen direkt den Knochen schädigen, sondern vielmehr körpereigene Immunzellen im Laufe der chronischen Entzündung den Abbau fördern. Neu ist auch die Erkenntnis, wie die Immunzellen die in einer schleimigen Schutzschicht verborgenen Eindringlinge überhaupt erkennen. Die Wissenschaftlerin identifizierte erstmals ein Protein aus diesem so genannten Biofilm, das die Immunantwort auslöst.
„Man ging bisher davon aus, dass das Immunsystem die Bakterien im Biofilm gar nicht wahrnimmt. Aber das stimmt nicht. Wir fanden in der Bakterienmatrix ein Protein namens GroEL, das Immunzellen aktiviert. Sie attackieren dann den Biofilm – offensichtlich bei den Patienten, die eine chronische Infektion entwickeln, weniger erfolgreich als bei denen ohne diese Problematik“, so Dapunt.
Einen Rezeptor der Immunzellen für dieses Protein konnte sie vor Kurzem mit Kollegen des Instituts für Immunologie und des Pathologischen Instituts am Universitätsklinikum Heidelberg identifizieren. Daran wollen die Wissenschaftler zukünftig weiter forschen und, wenn möglich, Eiweiße entwickeln, die diesen Erkennungsmechanismus blockieren. Ziel ist es, ein ergänzendes therapeutisches Konzept zu entwickeln, das zusätzlich zur Bekämpfung der Bakterieninfektion die überschießende Immunreaktion gezielt eindämmt, bevor der Knochen Schaden nimmt.
Für ihre Arbeit wurde Dr. Ulrike Dapunt nun mit dem mit 7000 Euro dotierten Anita-und-Friedrich-Reutner-Preis der Medizinischen Fakultät Heidelberg ausgezeichnet.
Weitere Informationen: www.klinikum.uni-heidelberg.de
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