Wissenschaftler entwickeln ein neues Rechenverfahren, mit dessen Hilfe aus mikroskopischen Bildern des Gehirns mit großer Genauigkeit auf dessen Verknüpfungsstruktur geschlossen werden kann.
Die Funktionsweise des Gehirns zu verstehen, ist eines der großen ungelösten Probleme der Wissenschaft. „Bis heute ist, von einem einfachen Fadenwurm einmal abgesehen, noch nicht einmal der Schaltplan eines kompletten tierischen Gehirns verfügbar, nicht zu reden vom Gehirn des Menschen“, sagt Prof. Fred Hamprecht, Leiter der Arbeitsgruppe „Bildanalyse und Lernen“ am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg. In den vergangenen Jahren wurden Bildgebungsverfahren entwickelt, die erstmals die Aufnahme von ausreichend hoch aufgelösten dreidimensionalen Bildern des gesamten Gehirns ermöglichen. Diese Aufnahmen sind jedoch so groß, dass eine manuelle Analyse Jahrhunderte dauern würde. Gefordert ist daher eine automatische Auswertung mit möglichst geringer Fehlerrate.
Sehr niedrige Fehlerrate
Heidelberger Wissenschaftler haben jetzt einen neuen Algorithmus, entwickelt, der mit weitaus größerer Genauigkeit als bisherige in der Lage ist, aus mikroskopischen Bildern des Gehirns auf dessen Verknüpfungsstruktur zu schließen.
Der neue Heidelberger Algorithmus verwendet dazu nichtlokale Bildinformation: Dabei betrachten die Wissenschaftler Bildregionen, die nicht nebeneinanderliegen, und schätzen, ob sie zur selben Nervenzelle gehören. Dr. Björn Andres vom Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken hat gezeigt, wie Wechselwirkungen mit kurzer und langer Reichweite gleichzeitig berücksichtigt werden können. Ziel ist es, eine optimale Lösung zu finden, die beiden Arten von Bildinformationen in bestmöglicher Weise gerecht wird. „Wir erreichen damit erheblich niedrigere Fehlerraten als alle bislang bekannten Methoden“, so Prof. Hamprecht.
Erst einmal das Fliegengehirn
Die Leistungsfähigkeit automatischer Auswertungsverfahren messen Forschergruppen weltweit in Wettbewerben: Ein vorgegebenes dreidimensionales Bild muss dabei in alle Nervenzellen zerlegt werden, die dort abgebildet sind. In einem aufwendigen manuellen Verfahren wird zuvor die korrekte – aber geheimgehaltene – Zerlegung ermittelt. Alle Einreichungen werden damit verglichen; das Verfahren mit der niedrigsten Fehlerrate „gewinnt“. Den Forschern am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen ist es jetzt gelungen, im jüngsten „Zerlegungswettbewerb“, dem CREMI Challenge on Circuit Reconstruction from Electron Microscopy Images, die weitaus höchste Genauigkeit bei der Auswertung zu erzielen. Mit ihrem neuen Algorithmus arbeiten die Heidelberger nun zunächst an einem Schaltplan des Fliegengehirns, um sich dann höheren Tieren zuzuwenden.
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