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Clowns sollten zum Team gehören

Pilotstudie: Humor in der Kinderchirurgie nimmt Angst vor der OP
Clowns sollten zum Team gehören

Clowns sollten zum Team gehören
Prof. Dr. Winfried Barthlen ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie im Eltern-Kind-Zentrum der Universitätsmedizin Greifswald
Bei Kindern, denen eine Operation bevorsteht, verbessert sich das Wohlbefinden und der Oxytocin-Spiegel steigt – wenn ein Clown der Situation die Spannung nimmt. Von diesem Konzept möchte Prof. Dr. Winfried Barthlen auch die Krankenkassen überzeugen.

Herr Professor Barthlen, welchen Einfluss haben Clowns im Krankenhaus laut Ihrer Pilotstudie auf die Genesung von Kindern?

Clowns tun den Kindern gut. Wir haben uns bei den kleinen Patienten mit speziell vorbereiteten Fragebögen vor und nach der Operation nach ihrem Befinden erkundigt. Und auch wenn es für die Pilotstudie nur 31 Kinder waren, weisen die Ergebnisse klar in eine Richtung: Wenn ein Clown in der ungewohnten Situation im Krankenhaus seine Späße macht, sind nach kurzer Zeit die Kinder entspannter. Dass auch die Eltern sich dann wohler fühlen, wirkt sich ebenfalls positiv auf die Kleinen aus und verstärkt den Effekt. Und abgesehen von der Befragung zeigt auch die steigende Konzentration des so genannten Glücks- oder Bindungshormons Oxytocin im Speichel, dass es den Kindern besser ging, wenn sie mit dem Clown in Kontakt waren.
Was brachte Sie auf die Idee, diese Studie zu starten?
Selbst an Medien und vielfältige Attraktionen gewöhnte Kinder lassen sich im Zirkus von etwas so Altmodischem wie einem Clown begeistern. In einer ungewohnten und auch beängstigenden Situation im Krankenhaus sollte man daher die Möglichkeit nutzen, die Kinder auf andere Gedanken zu bringen und letztlich mit Humor abzulenken. Ich bin überzeugt davon, dass sich das auf die Genesung positiv auswirkt, die Kinder schneller wieder nach Hause können und im Falle einer weiteren Operation nicht schon traumatisiert ins Krankenhaus kommen. Das alles müssen wir natürlich zunächst in einer Studie mit höherer Fallzahl wissenschaftlich belegen, bevor wir mit dieser Idee an die Kostenträger und die Politik herantreten. Aber genau das haben wir vor.
Welche Rolle hat der Clown – ist er ein Gegenpol zu Arzt und Pflegepersonal?
Er ergänzt das Team, würde ich sagen. In Argentinien zum Beispiel ist gesetzlich festgelegt, dass in Kinderkliniken professionelle bezahlte Clowns ein Bestandteil der medizinischen Versorgung sind. So ein Profi deckt das Thema Humor schließlich ganz anders ab, als Ärzte und Pflegepersonal das könnten.
Wie hat das medizinische Personal in Ihrer Pilotstudie auf den Clown reagiert?
Wir arbeiten heute in der Klinik in einem auf Effizienz ausgerichteten Betrieb. Soweit das die Qualität der medizinischen Versorgung betrifft, muss natürlich die Hygiene stimmen und auch die Organisation. Müsste man zum Beispiel stundenlang auf eine Operation warten, würde auch kein Clown mehr helfen, um die Stimmung zu retten. Es lastet also auf allen ein gewisser Druck. Die Clowns wurden bei uns aber als Bereicherung empfunden, obwohl sie im zeitlich und räumlich engen Umfeld der Operationsvorbereitung eigentlich stören. Ihre Späße lösten aber auch für die medizinischen Profis einen Teil der Anspannung. Und mein – nicht wissenschaftlich belegter – Eindruck war, dass die Arbeit im Team besser funktionierte, weil der Einzelne in dieser Atmosphäre eher mal Fünfe gerade sein lassen konnte.
Was gehört Ihrer Meinung nach alles zu einer ‚fröhlichen‘ Medizin?
Sie muss sich in das heutige leistungsorientierte Umfeld integrieren, denn dieses werden wir nicht ausblenden können. In Greifswald haben wir schon das Glück, dass wir in einer modernen Klinik arbeiten und die Betten und Stationen mit Micky Maus und Bambi eine etwas heimeligere Atmosphäre für die Kinder schaffen. Aber letztlich ist nicht der Schmetterling auf einem Beatmungsgerät das Entscheidende, sondern der menschliche Umgang und das Vertrauen. Für Studierende gibt es auch schon Humor-Coachings, in denen sie den humorvollen, aber dennoch seriösen Umgang mit den Patienten üben.
Wieviel Humor wäre Ihrer Einschätzung nach im Krankenhaus machbar?
Da gibt es keine Obergrenze. Es tut immer gut, wenn jemand die Leute wieder auf den Boden holt und sagt: Es geht doch um das gemeinsame Ziel, das wir erreichen wollen – also geht wegen Kleinigkeiten die Welt nicht unter.
Wie werden Sie diesen Ansatz nach Abschluss der Pilotstudie weiter verfolgen?
Wir wollen die erkennbaren Trends wissenschaftlich belegen und werden dafür Fördermittel für eine Studie mit höherer Fallzahl beantragen. Geplant sind Untersuchungen an einigen hundert Kindern, um die Ergebnisse statistisch auswerten zu können. Die Messtechnik für den Oxytocin-Nachweis im Speichel haben wir ja schon – und diese physiologischen Werte hat vor uns in diesem Zusammenhang noch niemand erhoben. Wir müssen darüber hinaus ein Qualitäts-Assessment für die Clowns einführen und mit Profis zusammenarbeiten, um zu vergleichbaren Werten zu kommen. Aber das Ziel ist, dass letztlich der Humor als Teil der Behandlung anerkannt wird.
Ist Humor quasi als Kassenleistung ein realistisches Ziel?
Wenn wir belegen können, dass Humor den Kindern gut tut und sich das letztlich auch mit kürzeren Krankenhausaufenthalten bemerkbar macht, wird sicher die eine oder andere Krankenkasse in einem entsprechenden Angebot eine Chance sehen, sich zu profilieren. Und wenn die ersten mitmachen, springen meiner Meinung nach weitere Kassen auf. Damit hätten wir wirklich eine Menge erreicht.
Worüber lachen Sie am liebsten?
Ich lasse mich gern von Kindern anstecken, ob das nun meine eigenen sind oder die kleinen Patienten in der Klinik. Sie erleben die Welt so naiv, offen und ohne Hintergedanken, dass es gut tut, dabei mitzumachen – auch wenn das Erwachsenen immer nur für kurze Zeit gelingt.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Stiftung: Humor hilft heilen
„Heilsame Stimmung“ im Krankenhaus fördert die Stiftung „Humor hilft Heilen“, die Dr. Eckart von Hirschhausen ins Leben gerufen hat. „Entgegen der landläufigen Meinung, dass man Humor einfach hat oder auch nicht, ist erwiesen, dass sich die Fähigkeit, über sich zu lachen und eine gesunde gelassene Distanz zu Problemen aufzubauen, trainieren lässt“, sagt der TV-Moderator. Nach Erkennissen der positiven Psychologie habe Humor nachweislich eine große Bedeutung für Stressresistenz und Krankheitsverarbeitung.
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