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Wohin das Geld fließt

Investitionen aus dem Ausland: Deutsche Medtech-Unternehmen haben häufig das Nachsehen
Wohin das Geld fließt

Investoren haben den Medizintechnikbereich nicht mehr so stark im Fokus und wenden sich wieder mehr dem Biotech- Sektor zu. Das ist ein Fazit aus dem jüngst vorgestellten Medizintechnik-Report 2015 von Ernst & Young. Vor allem Start-ups haben Probleme, frisches Kapital zu erhalten.

Die amerikanische Bill & Melinda Gates Stiftung hat im Frühjahr 46 Mio. Euro in die Tübinger Curevac AG investiert. Das biopharmazeutische Unternehmen ist weltweit führend im Bereich der medizinisch angewandten Messenger-RNA (mRNA). Auf Basis dieses Moleküls entwickelt Curevac neue Ansätze zur Behandlung von Krankheiten und zum Schutz vor Infektionskrankheiten. Die Medikamente auf Basis von mRNA können schnell und kostengünstig produziert werden. Ein weiterer Vorteil: Sie müssen bei Lagerung und Transport nicht gekühlt werden, woraus gerade für den Einsatz in Entwicklungsländern große Vorteile resultieren. Das machte das Unternehmen, das im Jahr 2000 gegründet wurde, für die Gates-Stiftung interessant.

Die Investition, die bundesweit für Aufsehen sorgte, beschleunigt die Weiterentwicklung der Technologieplattform von Curevac und unterstützt den Bau einer Produktionsanlage nach GMP-Standard im industriellen Maßstab. Der Haupteigentümer von Curevac, Dietmar Hopp, strebt nach dem Einstieg der Gates-Stiftung mittelfristig einen Börsengang des Unternehmens an. Dem SAP-Gründer gehören über seine Biotech-Investmentgesellschaft inzwischen rund 90 % an der Technologieschmiede.
Doch sind Investitionen wie diese in Deutschland eher selten. Und wenn, profitiert eher der attraktivere Biotech-Markt von den internationalen Geldgebern. Auch der aktuelle Medizintechnik-Report 2015 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young zeichnet ein eher düsteres Bild der deutschen Medizintechnikbranche. Siegfried Biajolan, Leiter Life Sciences bei EY, kritisierte vor allem die geringe Verfügbarkeit von Wagniskapital in Deutschland. Auch gebe es zu wenige Börsengänge. Und während die USA sowie britische und schwedische Unternehmen vom Kapitalzufluss aus dem Ausland profitieren, haben deutsche Unternehmen häufig das Nachsehen. Nach Ansicht von Biajolan liege dies unter anderem an deren häufig mittelständischen Strukturen.
Insgesamt weist die weltweite Medizintechnik-Branche in den USA und Europa weiterhin robuste Kennzahlen auf und profitiert von der guten Lage am Kapitalmarkt: So viel Geld durch Kreditaufnahmen oder Börsengänge wie jetzt konnten die Unternehmen noch nie anziehen. Gleichzeitig wurden Fusionen und Übernahmen auf hohem Niveau vorangetrieben. Aber das Wachstum aus eigener Kraft sei begrenzt, erklärt Bialojan: So konnte die Branche ihren Umsatz im Jahr 2014 gerade einmal um 2 % auf 341,8 Mrd. US-$ steigern – das seien 2 % Wachstum weniger als im Vorjahr, so der Experte. Das Finanzierungsvolumen in dem im Juni endenden Zwölfmonatszeitraum betrage nach den aktuellen Umfragen dagegen fast 50 Mrd. US-$ – und habe sich damit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt. Da lag das Gesamtvolumen noch bei 28,1 Mrd. US-$, sagt Biajolan.
Treiber dieser Entwicklung sind insbesondere die niedrigen Zinsen, die vor allem reifere Unternehmen für umfangreiche Fremdkapitalfinanzierungen nutzen konnten. Das habe allein das Volumen an Kreditaufnahmen von 19,8 Mrd. US-$ auf das Doppelte hochschnellen lassen.
„Doch die niedrigen einstelligen Wachstumszahlen der Branche geben Anlass zur Sorge“, sagt Biajolan. „Innovationen, die wirklichen Durchbruch bringen, sind selten – dabei wären sie wichtige Wachstumstreiber.“ Weil organisches Wachstum so schwer sei, versuchten viele Medizintechnikunternehmen durch Übernahmen bereits erfolgreiche Produkte in ihr Portfolio zu holen. Deswegen bleibe der Transaktionsmarkt auf einem sehr hohen Niveau. Vor allem der Biotechnologie-Markt profitiere davon.
Klaus Eichenberg, Geschäftsführer der BioRegio Stern Management GmbH, sieht in der Biotechnologie aber auch Chancen. „Sie eröffnet neue Geschäftsfelder, und die Automatisierung ermöglicht die effiziente Herstellung ihrer Innovationen.“ Um zukünftiges organisches Wachstum zu sichern, müsse man daher die Branchen Biotechnologie, IT und Engineering verstärkt integrieren.“
Das Umsatzwachstum in der Medizintechnik wurde laut Bialojan vornehmlich von den sogenannten Pure-Plays getragen, also den Unternehmen, die sich nur auf die Medizintechnik konzentrieren. Ihr Umsatzwachstum betrug 5 % auf 190,2 Mrd. US-$. Bei den Mischkonzernen ging der Umsatz insgesamt sogar leicht zurück von 152,2 Mrd. US-$ auf 151,7 Mrd. US-$. Das lag vor allem daran, dass sich große Mischkonzerne von Teilen ihrer Medizintechnik trennten. So ging der Medizintechnik-Umsatz bei Siemens um mehr als 1,5 Mrd. US-$ durch den Verkauf des Hörgerätegeschäfts sowie der Sparte für „Hospital Information Systems“ und bei Johnson & Johnson um fast 1 Mrd. US-$ durch den Verkauf von „Ortho Clinical Diagnostics“ zurück.
Die Mittel für Start-ups stagnieren seit Jahren unterhalb der 5-Mrd.-$-Marke und verringerten sich im untersuchten Zeitraum noch einmal leicht. Dieser Trend erschwere es Start-ups im Anfangsstadium, Mittel zu erhalten. „In einem Umfeld, in dem weltweit über alle Industrien hinweg so viel Venture Capital wie nie zuvor zur Verfügung steht, stagniert ausgerechnet der Venture-Capital-Markt für Medizintechnikunternehmen“, bemägelt Bialojan. 2014 wurden industrieübergreifend 57 Mrd. US-$ an Venture Capital investiert – das sind mindestens 20 Mrd. US-$ mehr als in jedem Jahr nach dem Krisenjahr 2008.
Doch in der Medizintechnik – aber auch im Health-Care-Sektor im Allgemeinen – kommt von dem Geld immer weniger an. „Investoren haben den Medizintechnikbereich nicht mehr so stark im Fokus und wenden sich verstärkt dem attraktiveren Biotech-Sektor zu“, so Biajolan.
Davon profitiert auch die schwäbische Curetis AG. Der Biotechnologie-Spezialist will sich über einen Börsengang in Amsterdam und Brüssel Geld für seine nächsten Wachstumsschritte besorgen. Das 2007 gegründete Unternehmen aus Holzgerlingen hat ein Verfahren zur schnellen Diagnose von schweren Infektionskrankheiten entwickelt. Mit den Erlösen soll die weltweite Vermarktung angeschoben werden, heißt es. su

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