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Medizingeräte bedienen wie ein Smartphone

Usability: Zu was die Kommunikationsbranche inspiriert
Medizingeräte bedienen wie ein Smartphone

Wer das Bedienen medizintechnischer Produkte so einfach und unkompliziert macht wie beim Smartphone, wird in der Branche einen Meilenstein setzen. Münchner Designer arbeiten intensiv an diesem Thema.

Seinen Erfolg verdankt das Smartphone nicht nur seiner Intelligenz, sondern vor allem der einfachen Handhabung, der „Usability“. Die kinderleichte Steuerung komplexer Vorgänge wird zu einem Erlebnis, der Begriff „Holistic User Experience“ ist diesbezüglich in aller Munde, und die Philosophie dahinter wird auch für die Steuerung von Medizingeräten interessant. An einem digitalen Blindenstock, der sehbehinderte Menschen durch Gebäude navigiert, wird derzeit bereits gearbeitet.

Doch die Branche tut sich mit dem Technologietransfer schwer. Einer der Gründe ist, dass kaum ein Hersteller von mobilen Geräten oder deren Komponenten im Westen dieser Welt sitzt. Die Industrie in Asien aber ist vor allem auf große Stückzahlen spezialisiert, die es in der Medizintechnik nur in Ausnahmefällen wie bei der Diabetes-Behandlung gibt. Und: Für Produkte im Medical-Bereich muss von der Entwicklungszeit bis zur Phase der Ersatzteilversorgung eine Komponente oft über eine Zeitspanne von gut 20 Jahren verfügbar sein. In diesen Dimensionen plant und fertigt aber niemand Teile, die für die schnelllebige Kommunikationsbranche konzipiert werden. Will man deren Technologie dennoch nutzen, gilt es daher, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die auf die rasanten Veränderungen eingehen und sowohl die Software, die technischen Komponenten als auch die Frontend-Technologie wie Tablet und Smartphone austauschbar machen.
Im User Interface Lab des Münchner Unternehmens Designaffairs beschäftigen sich Experten bereits sehr intensiv mit neuen Technologien für zukünftige Anwendungen. In Kooperation mit namhaften Herstellern, Forschungslabors und Universitäten wird Technologie- und Anwendungs-Know-How aufgebaut, und zusammen mit Softwareentwicklern und Usability Fachleuten entstehen innovative und zukunftsweisende Bedienkonzepte. Ein Beispiel hierfür ist die neue Haptic-Touch-Bedienung, die Designaffairs für das Infotainment von Audi entwickelt hat. Hierbei werden die grafischen Displayinhalte durch 1200 einzelne, piezogesteuerte Pins spürbar abgebildet. Die Menü-Oberfläche wird so für den User erfühlbar und dient als Interaktionsmittel für sämtliche Infotainment-Aufgaben wie beispielsweise die Steuerung von Radio, Navigationssystem und Raumklima.
Auch in der Medizintechnik arbeiten die Spezialisten von Designaffairs an Konzepten von morgen. Hierbei ist die größte Herausforderung, die Funktionalität des Geräts nicht zu verändern. Wer Bedienelemente radikal reduzieren will, muss die Bedürfnisse der Nutzer sehr genau kennen. Doch ist die Zielgruppe vielschichtig: Nicht nur Ärzte, Fachärzte wie Radiologen und Frauenärzte oder MTRAs bedienen die Medizingeräte. Vor allem in ausländischen Kliniken übernimmt dies auch kaum ausgebildetes Personal. International gesehen haben die unterschiedlichen Zielgruppen nicht nur unterschiedliche Ausbildungen und technische Affinitäten, sondern verschiedene Bedürfnisse. Was also sind die gemeinsamen „Usage Patterns“, die Nutzungsmuster?
Um das herauszufinden, werden Ärzte und medizinisches Personal weltweit befragt. Die Usability-Fachleute von Designaffairs sind hierbei schon häufig zu erstaunlichen Erkenntnissen gelangt. So wurde beispielsweise für den asiatischen Markt die Wichtigkeit der manuellen Bedienung von Liegen aufgedeckt. Ausgangspunkt der Befragung war das erhöhte Auftreten von Motorschäden an den medizintechnischen Geräten in Asien. Um dem Patientendurchlauf nachzukommen, werden die automatisierten Liegen dort aus Zeitgründen bevorzugt per Hand eingestellt. Was nur als Notfall-Funktion dienen sollte, führt in der täglichen Praxis zu Ausfällen der Motoren. Auf Basis dieser Erkenntnis wurden für den asiatischen Markt Modellanpassungen vorgenommen und Produkte geschaffen, die einen hohen Innovationsgrad, eine exakt auf den Anwender abgestimmte Benutzbarkeit und eine holistische Erlebniswelt aufweisen.
Durch effizientere Prozesse und technische Innovationen haben sich Arbeitsabläufe und Gewohnheiten in Kliniken bereits massiv geändert. So haben mobile Geräte bei der Patientenbefundung oder interaktive Touch-Monitore in der Angiographie längst ihren Platz erobert. Und auch die stationäre Anwesenheit von Patienten, Geräten und Daten nimmt ab. Home Care gewinnt an Bedeutung, was dem Patienten eine größere Rolle im Hinblick auf Selbstverwaltung, Betreuung und Versorgung zukommen lässt. Zukünftig müssen also auch technische und medizinische Laien die Daten erzeugen und sicher transferieren können. Dieser Paradigmenwechsel bringt neue Anforderungen an die Medizintechnik hervor– sowohl im klinischen Ablauf, als auch beim niedergelassenen Arzt sowie beim Patienten zuhause.
Neue Entwicklungen in der Technologie erfordern häufig neue Fähigkeiten. Microsofts Kinect, Apples Siri und Googles Project Glass verändern die Arbeitsabläufe erheblich. Dabei sollten sich diese Geräte auf den Anwender einstellen, nicht andersherum. Einflussreicher für die Medical-Branche scheinen deswegen Unternehmen wie Samsung, die derzeit die Medizintechnik erobern. Sie kommen aus der Kommunikationstechnik, haben hohe Fertigungstiefen und sind sehr innovativ.
Doch werden sie die schnellen Veränderungen aus der Kommunikationsbranche auf die nächste Generation von medizintechnischen Produkten übertragen können? Denn Software und Hardware-Touchpoints haben sich bereits in den letzten Jahren konstant verbessert. Inspiriert von den neuesten Innovationen und Trends bei User Experience werden Schnittstellen entwickelt, die außergewöhnlich einfach zu bedienen sind und dennoch ein Produkterlebnis bieten. Ein nennenswertes Beispiel ist das Projekt Lens aus dem Designaffairs Studio. Lens ist eine Gesten- und berührungsempfindliche Fernbedienung ohne Display oder Druckknöpfe. Durch intuitive Interaktionen können über Gestensteuerung komplexe Schnittstellen einfach bedient werden. So wird das Produkt in einer neuen Art und Weise wahrgenommen und die Steuerung von Geräten direkt adressiert. Diese sensible Sensorik könnte auch in der Bedienung von Medizinprodukten Anwendung finden.
Gerd Helmreich Designaffairs, München
Patienten übernehmen mehr Verantwortung und müssen mit Geräte umgehen können

Über die Designer

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Designaffairs ist als strategische Design-Consulting-Agentur mit über 30 Jahren Erfahrung in der Medizintechnik-Branche darauf spezialisiert, einzigartige und ganzheitliche Produkterlebnisse zu schaffen, und arbeitet mit Unternehmen wie Siemens, Carl Zeiss, Richard Wolf und B Braun zusammen. In seinem Münchner User Interface Lab stellt das Unternehmen die aktuellsten Technologien vor und bietet die Möglichkeit, diese selbst zu erleben.
Mehr Informationen: www.designaffairs.com

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