Produkte von Internet-Händlern „anfassen“, bevor sie nach Hause geliefert werden: In Zukunft sollen Menschen Objekte trotz großer zeitlicher und räumlicher Distanz fühlen können – mit einem Tasthandschuh.
„Langfristig geht es darum, eine virtuelle Realität für den Tastsinn zu entwickeln“, sagt Citec-Forscher Prof.Dr. Marc Ernst von der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld. Citec steht für Cognitive Interaction Technology (Kognitive Interaktionstechnologie) und ist ein Exzellenzcluster, an dem technische Systeme erforscht werden, die für den Menschen intuitiv und leicht bedienbar sind.
Ernsts Arbeitsgruppe für Kognitive Neurowissenschaften befasst sich für das neue EU-Projekt mit der Frage, wie die Nerven in Fingern und Handflächen gereizt werden müssen, damit der Nutzer diese Tast-Wahrnehmung nuanciert wahrnimmt. In dieser Frage stehe die Forschung noch am Anfang, sagt Ernst. „Das Ertasten eines Objekts könnte zum Beispiel durch winzige Vibrationen an Fingern und Handflächen simuliert werden“, erklärt Ernst. Auch schwache elektrische Impulse sind denkbar, um dem Träger eines Tasthandschuhs den Eindruck eines Objekts zu vermitteln. „Menschen haben in den Nervenenden ihrer Hände verschiedene Rezeptoren, die Berührungen aufzeichnen und an das Gehirn weiterleiten. Wir untersuchen, wie sich diese Rezeptoren am besten stimulieren lassen, sodass ein echtes Tastgefühl entsteht.“ Auf Grundlage dieser Forschung könnten dann zum Beispiel Internet-Versandhändler in Zukunft ihren Nutzern ermöglichen, Kleidung, technische Geräte und andere Produkte vor dem Kauf virtuell in die Hand zu nehmen.
Bevor die Tasteindrücke an den Benutzer übermittelt werden können, müssen sie aufgezeichnet werden. Daran arbeiten die Citec-Wissenschaftler Prof. Dr. Helge Ritter und Dr. Robert Haschke von der Arbeitsgruppe für Neuroinformatik der Technischen Fakultät. Für das Forschungsprojekt entwickeln sie und ihre Kollegen Tastsensoren, mit denen sich das Oberflächenmuster und die Struktur eines Gegenstandes erfassen lassen.
„Eine Herausforderung ist, die Empfindlichkeit und Tastauflösung der menschlichen Haut in einem technischen Sensor nachzuahmen und dabei zugleich wichtige Eigenschaften wie die gekrümmte Form einer Fingeroberfläche oder die Biegsamkeit von Haut zu verwirklichen“, sagt Ritter. „Hinzu kommt, dass die technischen Sensorsignale so aufbereitet werden müssen, dass sie für eine Übermittlung an den Menschen geeignet sind.“
Weitere Informationen: Homepage des EU-Projekts
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