Die Deutsche Normungsroadmap „Mobile Diagnostiksysteme“ der DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE empfiehlt mehr Standards im POCT-Umfeld. Dr. Thorsten Prinz, der an der Roadmap mitgearbeitet hat, erläutert, was das für den Markteintritt kleiner Unternehmen bringt.
Herr Dr. Prinz, POCT ist an sich kein neuer Ansatz, Blutzuckertests und viele andere Analysen sind lange etabliert. Was macht dieses Gebiet dennoch spannend?
Das POCT gehört zum stark wachsenden Markt der In-Vitro-Diagnostik. Derzeit werden Methoden, die klassischerweise im Labor angesiedelt waren, auch für patientennahe Tests zugänglich gemacht, also in kleinen, transportablen Geräten automatisiert. Damit eröffnen sich eine Reihe neuer Anwendungsmöglichkeiten.
Wie groß ist der Markt?
Die vorliegenden Studien beziffern den weltweiten IVD-Markt auf 40 bis 50 Mrd. US-Dollar. Der Bereich POCT hat an diesem Segment einen Anteil von 10 bis 20 Prozent. Für die kommenden Jahre gehen optimistische Prognosen von 8 Prozent Wachstum aus.
Wie bewerten Sie die Einstiegsmöglichkeiten?
Bis jetzt gibt es wenige, vielleicht 50 Unternehmen in Deutschland, die diesen Markt besetzen. Wir gehen aber davon aus, dass es eine Reihe von spezialisierten Betrieben gibt, die ihre Erfahrungen zum Beispiel in der Sensorik in den Dienst des POCT stellen könnten. Technisch kämen sie sicherlich sehr weit. Allerdings gelten für In-Vitro-Diagnostik-Produkte abenfalls eine Reihe regulatorischer Vorgaben. Ein Konzern hat das natürlich im Griff. Die Erfahrung in diversen Entwicklungsprojekten hat aber gezeigt, dass gerade kleine Unternehmen sich schwer damit tun, hier die relevanten Informationen zu filtern und bei der Entwicklung zu berücksichtigen. Das wollen wir mit der Deutschen Normungsroadmap Mobile Diagnostiksystem ändern und haben viele Empfehlungen dazu gegeben, wo wir mit Normungsarbeit in nächster Zeit viel weiter kommen könnten. Und wir wollen als Nächstes eine Anwendungsregel auf dieser Basis erarbeiten.
Warum sollten sich Unternehmen an diesen Gremien beteiligen?
Es ist immer sinnvoll, die Regeln mit zu bestimmen, nach denen man im Markt agiert. Darüber hinaus bringt die intensive Auseinandersetzung mit dem komplexen Regelwerk viel Know-how ins Unternehmen. Und die Roadmap ist eine gute Diskussionsgrundlage, auf die schon einiges an Feedback kam und die auch den einen oder anderen schon dazu angeregt hat, sich an der Normung zu beteiligen.
Welche Änderungen bringt zum Beispiel die neue EU-Richtlinie im IVD-Bereich?
Über die Neuerungen hinaus, die Medizinprodukte generell betreffen, wird sich auch im IVD-Bereich etwas tun. Es wird ein neues Klassifizierungssystem geben mit vier Risikoklassen. Und während die Aufteilung bisher dazu führte, dass bei der Zulassung von etwa 20 Prozent der IVD-Produkte eine Benannte Stelle mitwirken musste, werden davon in Zukunft etwa 80 Prozent der Produkte betroffen sein. Auch die Handhabbarkeit der Produkte soll zukünftig besser nachgewiesen werden. Solche Entscheidungen fallen natürlich vor dem Hintergrund, die Patientensicherheit zu verbessern. Die Unternehmen müssen die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten aber berücksichtigen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
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