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Gezielter Blick, freie Hände

Augensteuerung: Wie die Auswertung der Blickrichtung den Monitor beeinflusst
Gezielter Blick, freie Hände

Das Eyetracking ist neben Sprach- und Gestensteuerung eine weitere Möglichkeit, Geräte zu bedienen und die Hände am Patienten zu lassen. Erste Anwendungen dieser noch jungen Technologie sind schon umgesetzt.

Tastatur und Maus sind als altgediente Benutzerschnittstellen zum Computer zwar allen geläufig, aber längst nicht mehr die Methode der Wahl, um ein Gerät zu bedienen. Alternativen sind vor allem dann gefragt, wenn der Mensch eigentlich etwas anderes zu tun hat – wie zum Beispiel am OP-Tisch –, beide Hände dafür braucht und jede Störung seiner Primärtätigkeit als lästig empfindet.

Ein System, das Berührungsmuster, Gesten und Sprache erkennt oder die Absichten des Anwenders aus der Auswertung seiner Blicke ableitet, kann die Interaktion sinnvoller gestalten. Wird ein solches System geschickt und der Anwendung angemessen eingesetzt, lässt sich ein „Herausreißen“ aus der relevanten Aufgabe gering halten oder sogar vollständig unterbinden.
Gestenerkennung im OP ist bereits im Test, auch Sprachsteuerung ist eine sinnvolle Möglichkeit. Eyetracking kommt inzwischen als weiteres Element der „Natural User Interfaces“ (NUIs) hinzu. NUIs erleichtern die Interaktion mit Computersystemen und machen diese direkter und anwenderfreundlicher.
Doch nicht alle Systemeingaben sind mit einer NUI-Methode gleichermaßen befriedigend leicht erzielbar. Was gut funktioniert und ob eventuell verschiedene Technologien kombiniert werden sollten, ist in der Regel eine Frage der Anwendung. Oberstes Gebot der Benutzerschnittstelle ist es dabei, möglichst „naheliegend“ zu sein, sich möglichst ohne Störung den Abläufen und Tätigkeiten unterzuordnen.
Während eines chirurgischen Eingriffes beispielsweise ist die Hand-Augenkoordination für ein gutes Ergebnis entscheidend. Die händischen Eingriffe werden ständig visuell überprüft, sei es durch direkten Blick oder – wegen der zunehmend minimal-invasiv durchgeführten Eingriffe – auch angereichert durch Bildgebung und Bilddarstellung, die einen indirekten Blick in den Körper bieten. Der Blick auf das Display ist oft ein „fragender“: Entspricht das Gesehene der Haptik im Eingriffsfeld?
Vor diesem Hintergrund ist am OP-Tisch die Augensteuerung das „naheliegende“ NUI. Hier bietet sich die Möglichkeit der direkten Interaktion mit den OP-Feld-Displays. Durch die Augensteuerung kann der Anwender nicht nur mit dem Blick Informationen aufnehmen, sondern dem Gerät auch Eingaben und Steuerungen vermitteln.
Wenn es um marktreife, bezahlbare und einfach integrierbare Eyetrackings geht, spielen zwei Konzepte eine Rolle: das Eyetracking mittels spezieller Brillen und das „Remote“-Eyetracking. Für diese Form muss der Anwender keine zusätzlichen Hilfsmittel tragen. Brillenbasierte Systeme bieten zwar mehr Genauigkeit, die aber nicht für alle Anwendungen erforderlich ist.
Der Remote-Eyetracker ist im Displaygehäuse eingebaut und sendet über LEDs gepulstes Nah-Infrarotlicht aus, die Reflexion wird über die Kameras des Eyetrackers erfasst. Das Eyetracking-System Eyeseemed, das die Pruttinger Esinomed GmbH anbietet, arbeitet nach diesem Prinzip. Mit der hierdurch erreichbaren Genauigkeit lassen sich Bildquellen und Anzeigedisplays selektieren. Auch das Navigieren in radiologischen Datensätzen ist damit möglich.
Die Augensteuerung erfordert einmaliges Kalibrieren. Dabei werden die individuellen Blickeigenschaften eines Anwenders – wie Augenabstand, Sehhilfen und optische Achse – auf das Blickfeld hin angepasst. Ob der Anwender eine Korrektionsbrille oder Kontaktlinsen trägt, spielt keine Rolle. Es ist auch möglich, mit und ohne Brille zu kalibrieren und das für die OP-Situation geeignete Profil auszuwählen.
Die Software ermittelt die Blickpositionen in Bezug auf neun Positionen im Blickfeld. Das Kalibrierverfahren für einen Anwender nimmt weniger als 1 min in Anspruch, dann werden die Informationen mit dem Namen kombiniert im System hinterlegt. Idealerweise wird dies einmalig außerhalb der eigentlichen OP-Situation durchgeführt. Wer das System nutzt, lässt sich dann mit einem Touch in der Vorbereitungsphase für die Operation festlegen.
Die besten Ergebnisse erzielt das Eyetracking bei einem Abstand zwischen 60 bis 90 cm zwischen Benutzer und Display. Die Kopfposition sollte dabei ruhig sein, sie muss aber nicht positionsgenau gehalten werden. Die Kopfbewegungen und die Blickrichtungen werden dann innerhalb des Trackingvolumens robust verfolgt.
Die Genauigkeit, die sich unter diesen Voraussetzungen mit der Blickrichtungserfassung erzielen lässt, entspricht auf dem Display in etwa einer Fingerberührung auf einem Touchscreen. Funktionen und Auswahl-Buttons lassen sich daher ähnlich grafisch darstellen, wie es bei Apps für Tablets und Smartphones üblich ist. Kleinere Auswahlfelder, Texteingaben oder Scrollbalken sind für das Eyetracking weniger geeignet.
Funktionen lassen sich durch gezieltes Verweilen des Blickes auf Funktionselementen der Benutzeroberfläche auslösen. Dabei zeigt das System zum Beispiel durch Farbänderung des Auswahlbuttons, dass der Blick erkannt wurde. Ruht der Blick dann für eine – einstellbare – Zeit darauf, wird die Funktion ausgelöst. Dabei ist wichtig, dass auf der Benutzeroberfläche Betrachtungs- und funktionsauslösende Bereiche klar getrennt werden. So wird ein „versehentliches“ Auslösen sicher vermieden.
In einer ersten Anwendung ergänzt die Lösung eine integrierte OP-Steuerung der HT Labor und Hospitaltechnik AG in Heideck. Der Betrieb als reines Display für die direkte Ankopplung von bildgebenden Medizingeräten wie Endoskopen oder C-Bögen ist möglich. Über die Blicksteuerung schaltet der Anwender zwischen anliegenden Bildquellen und der Softwaresteuerung um. Durch Verknüpfung der Quelle „PACS System“ mit dem Ziel-Display, dem OP-Feld-Monitor, werden auch präoperative Bilddaten mittels Eye-Tracking navigierbar.
Gregor Truma Esinomed, Prutting
 
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