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Extrusion im Reinraum

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Extrusion im Reinraum

PEEK-Halbzeuge | Bislang wurden Extrusionsmaschinen noch nicht unter Reinraumbedingungen eingesetzt. Um PEEK-Halbzeuge für Implantate herzustellen, war aber genau das erforderlich. Zwei Unternehmen haben dafür die Lösung entwickelt.

Silke ErnstBC-Technology, Dettingen

Implantate aus PEEK sind wiederholt sterilisierbar, biokompatibel und röntgendurchlässig und werden etwa als Herzklappen eingesetzt, zur Wirbelsäulen-Stabilisation, in der Rekonstruktion von Schädeldecken oder in der Zahnmedizin. Der britische Hersteller Invibio Biomaterial Solutions in Thornton Cleveleys beispielsweise verarbeitet Kunststoffstäbe aus diesem thermoplastichen Material unter Reinraumbedingungen: Aus den Halbzeugen werden mittels spanender Verfahren Implantate hergestellt, die dauerhaft im Körper verbleiben.
Halbezeug für die Implantate – in diesem Fall Kunststoffstäbe – stellt die Ensinger GmbH aus dem baden-württembergischen Nufringen her. Laut Ralf Dietrich, Fertigungsleiter Spezialprodukte bei Einsinger, war „die wichtigste Anforderung an uns, die angelieferte Granulatmischung ohne jegliche Einschlüsse oder Verunreinigungen zu extrudieren.“ Denn die Implantate seien auf minimale Masse optimiert, entsprechend hoch die auf das Material einwirkenden Kräfte. Unterbrechungen in der verketteten Molekularstruktur des Kunststoffs könnten die Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen und sind daher unbedingt zu vermeiden.
Hohe Verarbeitungstemperatur erforderte Pionierarbeit
Um die Anforderungen zu erfüllen, musste der Extrusionsvorgang in eine Reinraum-Umgebung verlegt werden. Ein Beispiel oder eine Musterlösung, wie das für die bei PEEK üblichen Verarbeitungstemperaturen zwischen 340 und 420 °C umzusetzen sein könnte, gab es nicht. Hier leisteten die Dettinger BC-Technology GmbH und Ensinger Pionierarbeit. Laut Dietrich war BC-Technology „der ideale Partner für die Erstellung der derzeit sechs Reinräume“. Die Fachleute hätten sofort verstanden, dass die bewährten Extrudier-Prozesse nicht an ein bestehendes Reinraum-Konzept angepasst werden konnten. Vielmehr musste ein neues Reinraumkonzept zu den Prozessen entwickelt und umgesetzt werden.
Da wegen der hohen Prozesstemperaturen biologische Verunreinigungen – sonst ein Hauptthema in der Medizintechnik – nicht zu erwarten waren, rückte ein anderes Thema in den Fokus. „Die Risikoanalyse ergab, dass die Zuführung des PEEK-Granulats die entscheidende Herausforderung ist“, berichtet Henrik Böhm, Geschäftsführer bei BC-Technology. Die Reinraum-Strategie wurde daher so gewählt, dass sämtliche Nebenaggregate, etwa zum Trocknen und Reinigen, zum Sicherstellen der passenden Luftfeuchtigkeit, sowie Kühlmedien außerhalb des Reinraumes installiert werden.
„Wir wollten nur das Material und die Maschine im Reinraum haben, um die Zahl der luftgetragenen Partikel wirkungsvoll reduzieren zu können“, erläutert Dietrich. Um eine kontaminationsfreie und zugleich Abrieb vermeidende Zuführung zu gewährleisten, hat BC-Technology eine individuelle Beladestation entwickelt. Das Lastenheft sah darüber hinaus vor, dass das System eine leichte Reinigung des Zuführbereichs nach jedem Chargenwechsel erlauben sollte. „Dafür sind in der jetzigen Lösung zwei unabhängig voneinander arbeitende Reinheitszonen zusammengefasst“, erläutert Böhm. Das Material wird dem Trockner von außen zugeführt und gelangt später direkt zur Extrusionsmaschine. Im weiteren Verlauf wird die Qualität der Halbzeuge geprüft, sie werden im Reinraum auch verpackt und schließlich zu den Implantatherstellern tansportiert.
Von herkömmlichen Lösungen unterscheidet sich die Anlage
Von herkömmlichen Reinraumlösungen, wie man sie in der Kunststoffverarbeitung etwa beim Spritzgießen findet, unterscheidet sich die Anlage mit ihrer gewählten Anordnung stark. Sie habe sich im Betrieb aber als absolut alltagstauglich bewährt, vermerkt Dietrich. Einzig ein minimaler Umbau eines Absaugstutzens musste veranlasst werden. Alle Aggregate, die Maschinen und Vorrichtungen sind validiert, so dass die Reinräume gemäß DIN EN ISO 14644-1 Klasse 8 beziehungsweise EU-GMP-Klasse D qualifiziert sind.
Bisher sind bei Ensinger sechs Reinräume in Betrieb. Die Planung erlaubt es aber, bei Bedarf sechs weitere Reinräume hinzuzufügen. „Wenn es dazu kommen sollte, müssen keine Änderungen vorgenommen werden. Wir könnten also zusammen mit BC Technology bei zeitlich geringem Vorlauf die Kapazitäten zeitnah verdoppeln,“ sagt Dietrich. Damit sieht er sich für die Zukunft, in der Hochleistungs-Kunststoffe zunehmend Metall in der Medizintechnik verdrängen, gewappnet. ■


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